:
Jeje de Krüsch is für de Krüsch ■ Von Wiglaf Droste
Vor zehn Jahren verkölschte BAP-Sänger Wolfgang Niedecken John Lennons Klassiker „Imagine“: „Stell disch führ es jütt köön Krüsch möhr“, möhrte Niedecken damals. Dessen alternative Gratismoral ganz prima sich selbst vollzieht: In Friedenszeiten für den Frieden sein und in Kriegszeiten für den Krieg. So sind sie, die Protagonisten der Friedensbewegung: Ihren früheren Kitschquatsch erzählen sie jetzt in Nato-Grün.
Bei Niedecken hört sich das Wellenreiten so an: „Die Friedensbewegung darf sich nicht zum nützlichen Idioten machen.“ Und sich nicht „vor den Karren der PDS spannen“ lassen, wo die Pazifisten dann – Niedecken kann auch Lenin – „nützliche Idioten“ wären. So wie Niedecken, der bei DKP-Friedensfesten auftrat, weil die „immer so joot orjanisiert woore“. Womit man flink bei den Leuten ist, die zwar auch gegen den Krieg, ansonsten aber zum Brechen sind: Man muß es eben aushalten, daß sich auch die Schmierstiefelette Diether Dehm wider den Krieg äußert – der von der SPD zum PDS-Vorstand mutierte Mann muß das tun, es ist sein Job. Daß die PDS-Leute „ein bißchen Frieden“ singen, täuscht dabei nicht darüber hinweg, daß sie sich eben nicht unterscheiden von den anderen Kaninchenzüchtervereinen wie den Grünen, der SPD, Pur oder BAP.
Wenn man die organisierte Totmacherei, die heute „humanitäre Intervention“ heißt, weder beklatscht noch mit staatsmännisch-bedenklichem Dackelfaltenblick für leider notwendig erklärt, wird man von Hamburger Kloakenjournalisten mit ihresgleichen zusammengerührt: mit Jürgen Elsässer von konkret, dem Magazin für die deutscheste unter den Eigenschaften – die Rechthaberei. Elsässer, ein freigestellter schwäbischer Berufsschullehrer, hat sich zufällig gegen den Krieg ausgesprochen – aber nicht einmal das ist ein Grund, für den Krieg zu sein.
Adornos bange Frage „Kann man nach Auschwitz noch Scheiße schreiben?“ beantwortet mit einem zweifelsfreien „Ja!“ auch Stefan Ripplinger, der heute bei der ebenfalls ganz überflüssigen Jungle World den Jürgen Fliege für die Restlinke gibt und darüber leitartikelt, daß die Kriegsgegner nicht alle so klemmreligiös sind wie er selbst. Und die junge Welt, deren Kolumnist ich noch bin, titelt wie eine umgedrehte Bild-Zeitung: „Nato-Bomben zerfetzen Kinder“, blutete es aus dem Blatt, das turnusmäßig Schriftsteller anherrscht: „Was sagen Künstler zum Krieg?“ – ganz so, als sei das deren Pflicht. Und die junge Welt ruft, eins zu eins, dazu auf, serbische Bohnensuppenkonserven zu kaufen. Ist es die Bohnensuppe in uns allen? Oder die Bodentruppe? Die Antwort kennt die junge Welt, hier ist Miloevic ein Held.
Sie kapieren es alle nicht: Daß man unter keiner Fahne steht, unter keiner deutschen, unter keiner serbischen und auch sonst unter keiner. Das können sich die versammelten Wirrhirne einfach nicht vorstellen – es ist zu klar für sie. Und doch ist es so: Man schickt nicht andere Leute in den Tod. Vieles ist kompliziert, aber dieses ist simpel: Die Kriegstreiber haben dazugelernt. Sie sind die Meute und inszenieren sich als verfolgte Minderheit. Ihre Waffe heißt Moral, und sie sind sich nicht einmal zu dreckig, „Auschwitz!“ zu grölen, wenn es ihnen gerade paßt. Ich hoffe auf den Tag, an dem sie das wiederkriegen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen