Koalitionskrach um Wasserbetriebe eskaliert

■ Innensenator hatte Abschluß des Tarifvertrags nicht mit Finanzsenatorin abgestimmt. Grüne sehen das Scheitern der geplanten Privatisierung „in greifbare Nähe gerückt“

Im Koalitionsstreit um die Privatisierungspolitik des Senats ist es jetzt zum Eklat gekommen. Der Sprecher der Finanzverwaltung, Dirk Wildt, bezeichnete es gestern als „einmaligen Vorgang“, daß Innensenator Eckart Werthebach (CDU) den Tarifvertrag über den Kündigungsschutz bei den Wasserbetrieben ohne Rücksprache mit Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD) unterschrieben hat. „Das war mit der Finanzsenatorin nicht abgestimmt“, sagte Wildt. Über mögliche Auswirkungen auf den geplanten Verkauf von 49,9 Prozent des landeseigenen Unternehmens wolle er jedoch „nicht spekulieren“. Der weitreichende Kündigungsschutz schränkt den Spielraum der Käufer ein, die Wasserbetriebe zu rationalisieren, und macht somit einen Kauf weniger attraktiv.

Der Vertrag schützt die Mitarbeiter der Wasserbetriebe auch nach der geplanten Privatisierung fünfzehn Jahre lang vor betriebsbedingten Kündigungen. Dieser Passus war in der Koalition unstrittig. Die Finanzsenatorin hatte sich aber dagegen gewandt, daß auch das Führungspersonal in den Genuß dieses geschützten Status kommt und statt des Vorstands der Aufsichtsrat das letzte Wort bei Fragen der Personalplanung hat.

In der SPD gilt Werthebachs Vorpreschen als neuerlicher Versuch der CDU, sich im Wahlkampf durch Kritik an der Privatisierungspolitik der Finanzsenatorin zu profilieren. Dabei hatte der frühere CDU-Wirtschaftssenator Elmar Pieroth die Berliner Wasserbetriebe (BWB) sogar vollständig privatisieren wollen. Im März hatte CDU-Fraktionschef Klaus-Rüdiger Landowsky plötzlich gefordert, auf den Verkauf ganz zu verzichten und statt dessen einen Teil des BWB-Eigenkapitals in den Landeshaushalt umzuleiten.

Doch angesichts des nahenden Wahltermins wollen offenbar auch die Genossen nicht als hartherzige Privatisierer dastehen. SPD-Sprecher Frank Zimmermann betonte, trotz heftiger Kritik am Verfahren begrüße die SPD „in der Sache“ Werthebachs Entscheidung. „Die SPD ist für den Tarifvertrag“, versicherte auch Fraktionsvize Hermann Borghorst. Es sei „simpler Populismus“, wenn sich die CDU jetzt als Anwältin der Arbeitnehmer präsentiere.

Die Folgen könnten für die Finanzsenatorin um so schmerzlicher sein, als sie das Geschäft in den kommenden Wochen unter Dach und Fach bringen muß. Schließlich will sie den Verkaufserlös noch im Etat für 1998 verbuchen und hat den Haushaltsabschluß schon weit hinausgezögert.

Nach Informationen des bündnisgrünen Abgeordneten Vollrad Kuhn soll der amerikanische Kaufinteressent Enron mittlerweile abgesprungen sein. Im Rennen wären demnach nur noch die beiden Investorengruppen RWE/Vivendi und Suez/Lyonnaise des Eaux. Auch sie fordern aber nach Kuhns Angaben vom Senat umfangreiche Gewährleistungen für Risiken aus anhängigen Klagen auf Gebührenrückzahlungen.

Der Abgeordnete sieht daher das „Scheitern der Teilprivatisierung in greifbare Nähe“ gerückt. Er forderte die SPD auf, „den Affront von Werthebach als Chance für den Ausstieg zu nutzen“. Das Monopolgeschäft mit Wasser und Abwasser müsse in öffentlicher Hand bleiben. Ralph Bollmann