: Auch die Bauern sehen es nun ein
■ Noch werden Studien abgewartet, doch intern ist klar: Antibiotika im Futter gefährden nicht nur die Menschen, sondern auch die Tiere
Brüssel (taz) – Auf den Fleischmärkten der EU könnte nach dem Bann gegen US-Hormonfleisch in absehbarer Zeit auch ein Bann gegen Antibiotika-Fleisch anstehen. Über den extremen Wirkungsverlust medizinischer Antibiotika bei Menschen und Tieren wird in der kommenden Woche ein von der Brüsseler EU-Kommission eingesetzter Wissenschaftsausschuß seine Untersuchungsergebnisse vorlegen. Anschließend muß die EU-Kommission Stellung beziehen.
Angesichts der Ergebnisse der Studien könnte die Kommission durchaus feststellen, daß europäische Agrarpolitiker bislang mit zweierlei Maß messen: Zum Schutz der Gesundheit soll hormonbehandeltes US-Rindfleisch den Europäern erspart bleiben. Gefahren durch Antibiotika-Fleisch jedoch, sowohl importiert als auch aus EU-Schlachthöfen, bleiben bislang tabu.
Kräftig mit antibiotischen Medikamenten gefütterte und behandelte Schweine, Rinder und Hühner lassen immer mehr Krankheitserreger resistent werden. Um der Resistenzbildung zu begegnen, müßte die Brüsseler Behörde einen Bann gegen Antibiotika im Tierfutter aussprechen. Eine Sprecherin von EU-Kommissarin Emma Bonino, zuständig für Verbraucherpolitik, erklärte dazu gestern jedoch, „alle Beteiligten, auch Agrarkommissar Fischler, müssen zunächst die Ergebnisse des über hundertseitigen Berichts beurteilen“. Erst dann könne die Kommission eine Stellungnahme abgeben.
Weil Penicillin-Nachfolgepräparate wie Tetracycline in der EU ungeniert verfüttert werden – 2.294 Tonnen pro Jahr an Nutztiere plus allerhand antimikrobielle Wirkstoffe –, verlieren sie weiter ihre Wirkung. Der deutsche Agrarminister Karl-Heinz Funke beriet darum am Montag mit seinen EU-Ministerkollegen in Brüssel eine „Strategie gegen Antibiotikaresistenz“. Von einer Gefahr für die Fleischkonsumenten wollte der Minister hingegen nichts wissen. Es gäbe schließlich inzwischen „ein Fütterungsverbot für Antibiotika“, so der Minister im kleinen Kreis in Brüssel. Nicht ganz korrekt: Vier antibiotische Futterzusätze sind – so ein EU-Beschluß vom Januar dieses Jahres – weiter erlaubt.
Dabei beobachtet auch der Bauernverband inzwischen die wachsenden Resistenzgefahren, wie DBV-Sprecherin Uta Meiners in Brüssel erklärte. In einem internen Vermerk hat der DBV massive Probleme wegen der wachsenden Antibiotika-Resistenz beschrieben. Kranke Tiere reagierten immer weniger auf Gaben antibiotischer Mittel wie Tetracycline oder Sulfonamide. „Resistenzen bestimmter Erreger bei Tieren gegen bestimmte Antibiotika (sind) teilweise erschreckend hoch und zunehmend“, heißt es in dem Verbandsvermerk vom März dieses Jahres.
Schweden hält dagegen trotz seiner EU-Mitgliedschaft bis heute einen Antibiotika-Bann aufrecht. Ex-Agrarministerin Annika Ähnberg aus Stockholm hatte anläßlich einer Brüsseler Konferenz vor zwei Jahren bereits betont, daß „verbesserte Hygiene und Futter, weniger Streßfaktoren und bessere Belüftung“ für die Tiere zu einem Rückgang von Krankheiten geführt hätten, jedoch auch zu steigenden Kosten. Peter Sennekamp
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