: Tempodrom-Pläne rauschen durch Kühlturm
■ Neuer Entwurf für das Tempodrom: Hamburger Architekturbüro Gerkan/Marg und Partner plant langen Sockelbau und steiles Zeltdach am Anhalter Bahnhof. Ökologische Ansprüche könnten dadurch verlorengehen
Tempodrom-Chefin Irene Moessinger und die Mitglieder des Stiftungsrates wollen diese Woche einen neuen Entwurf zum geplanten Kulturzelt am Anhalter Bahnhof vorlegen. Nach Informationen der taz kommen dabei nicht nur überarbeitete Konzepte der Architekten Frei Otto und Jutta Kalepky aufs Tapet. Zugleich wird eine Planung des Hamburger Architekturbüros von Gerkan/Marg und Partner (gmp) präsentiert, die sich in wesentlichen Punkten von den bereits vorhandenen Entwürfen unterscheidet. Gmp realisieren derzeit in Berlin den Lehrter Zentralbahnhof und haben den Wettbewerb zur Sanierung des Olympiastadions gewonnen.
Der Gerkan-Entwurf für das Neue Tempodrom sieht vor, das brachliegende Areal am Anhalter Bahnhof mit einem langen eingeschossigen Betonflachbau zu dekkeln. Unter die Platte sollen hinter gläsernen Fassaden das Foyer, die Verwaltungsräume sowie das Restaurant gepackt werden. Ins Zentrum des Gebäudes haben gmp die runde Arena gesteckt, die sich wie ein Trichter dort eingräbt. Nach Süden erstrecken sich die Bühne und die Backstage-Bereiche. Außerdem enthält der Entwurf ein Freilichttheater sowie in die Grünbereiche reichende Stege, die zu weiteren Veranstaltungsplattformen führen.
Aus dem flachen Bau, der ein wenig an die Neue Nationalgalerie en miniature erinnert, lassen die Architekten das Zeltdach herausragen. Wegen seiner steil aufsteigenden Dachsegmente ähnelt es aber weniger einem Zirkuszelt als vielmehr einem Kühlturm bekannter Kraftwerke. Kritisch an dem Entwurf ist nicht nur die enorme Höhe des „Kühlturms“ von über 30 Metern. Zugleich überbaut der lange Gebäuderiegel des Tempodroms einen großen Teil des Grünraums am Anhalter Bahnhof.
Irene Moessinger bestätigte gegenüber der taz, daß ein zusätzliches Architekturbüro mit ins Boot geholt worden sei. Sie wollte aber weder bestätigen noch dementieren, daß es sich um das Team Gerkan/Marg und Partner handelt. Sie wies zugleich darauf hin, daß auch die beiden anderen Planer aufgefordert wurden, überarbeitete Entwürfe vorzulegen. Weder deren Pläne noch die des dritten Büros seien ihr bekannt. Eine Entscheidung zugunsten einer neuen Planung sei nicht gefallen.
Klar ist, daß das über 30 Millionen Mark teure Projekt, das aus Lotto-Mitteln, EU-Fördergeldern, von privaten Sponsoren und der Entschädigungssumme für die Räumung des Geländes am Kanzleramt finanziert wird, derzeit hakt. Insbesondere die membrane Dachkonstruktion des Architekten Frei Otto erweist sich als zu teuer. Klar ist aber auch, daß die bisherigen Pläne sich dem ökologischen Anspruch gegenüber offen zeigen. Sowohl Otto, der das Münchener Olympiazelt plante, als auch Kalepky, die das Tempodrom mit einem Solardach ausstatten will, haben Entwürfe vorgelegt, die diese Kriterien ernst nehmen.
Der gmp-Plan läßt auf den ersten Blick dergestalt nichts erkennen. Kreuzbergs Bürgermeister Franz Schulz (Grüne) zeigte sich angesicht der Alternativplanung verwundert. Er werde, sollte ein neuer Entwurf zur Debatte stehen, sehr genau darauf achten, daß das, „womit wir vor sieben Jahren für das Tempodrom angetreten sind, nämlich mit einer ökologischen Planung“, nicht verlorengehe. Zugleich wurden Vermutungen im Kreuzberger Bauamt geäußert, Roland Specker, Projektmanager des Neuen Tempodroms, habe gmp beauftragt, um die Planung voranzutreiben. Von Stadtentwicklungssenator Peter Strieder, einst Spiritus rector des „Ökodroms“am Anhalter Bahnhof und heute Mitglied des Stiftungsrates, war keine Stellungnahme zu erhalten. Rolf Lautenschläger
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