: Handke, Biller, Büchner-Preis
■ Aufregung in der Akademie für Sprache und Dichtung
1973 wurde dem Schriftsteller Peter Handke von der Darmstädter Akademie für Sprache und Dichtung der Büchner-Preis verliehen. Er war mit 10.000 Mark dotiert, eine Summe, die Handke der Akademie 26 Jahre später unverzinst zurückerstattete, aus Protest gegen den von der Nato gegen Jugoslawien geführten Krieg.
In Darmstadt war man irritiert. Den Krieg hatten die Juroren nicht angezettelt, und sie hatten sich, anders als der Büchner-Preisträger Wolf Biermann, auch nicht öffentlich nachgerühmt, „schuld daran“ zu sein.
Einem Mann, den die Darmstädter Juroren noch nie auf dem Zettel hatten, scheint die Affäre seit Wochen keine Ruhe zu lassen. In der Akademie zirkulieren mittlerweile sieben Briefe, deren Absender sich um den freigewordenen Büchner-Preis von 1973 bewirbt – „Maxim Biller“, postlagernd.
„Fälschungen“, sagen Insider. „Handke ist und bleibt der Träger des Büchner-Preises 1973. Kein ernstzunehmender Mensch ist so blöd, jetzt nachträglich Handkes Preis für sich einzufordern, auch Maxim Biller nicht.“ Manche Mitglieder der Akademie vertreten aber auch die Meinung, daß der Preis tatsächlich neu vergeben werden müsse, und berufen sich auf die Statuten. Es sei Ehrensache, einen Ersatzkandidaten für Handke zu bestimmen und auszuzeichnen. Daß die Wahl auf Maxim Biller fallen wird, ist allerdings unwahrscheinlich.
In den Briefen wird ein recht scharfer Ton angeschlagen, der durchaus an Billers berüchtigten Haßzeilensound erinnert: „Ihr Schweinepriester! Habt Ihr Euch mal gefragt, wozu Ihr überhaupt in die Welt gereihert worden seid? Es gibt Dichter, die leben wollen, und es gibt Bürokraten, die davon träumen, einmal reich und tot zu sein. Reich seid Ihr jetzt ja, dank Handke. Das Geld ist da, der Preis ist frei. Was also spricht dagegen, mir den Preis und das Geld zu geben? Außer der gequirlten Kleinsparer- und Spießerscheiße, die Ihr im Kopf habt? Ich bin Dichter, ich bin gut, und ich kann das Geld gebrauchen. Also macht hin, Ihr Saftneger!“
In anderen Briefen verlangt der Absender, neben Preis und Preisgeld, daß die Literaturgeschichte „umgeschrieben“ werden müsse. Handbücher und Lexika sollten eingestampft und neu aufgelegt werden, vermehrt um den Hinweis, daß der Büchner-Preis 1973 nicht Peter Handke, sondern Maxim Biller verliehen worden sei. Außerdem hat der Absender angekündigt, daß es mit 10.000 Mark nicht getan sei: „Es ist mir schnuppe, ob Handke Euch den Zaster inflationsbereinigt oder in Dublonen oder in Form von Rabattmarken erstattet hat. Ich muß monatlich 2.800 Mark Miete zahlen und verlange die vollverzinste Preissumme von 1973. Wir schreiben das Jahr 1999! Vergeßt das nicht, Ihr verfluchten Knickstiefel!“
Biller selbst hält sich bedeckt. Ein Mitglied der Akademie, das nicht namentlich genannt werden möchte, deutet den Fall tiefenpsychologisch aus: „Da bewirbt sich einer darum, mit Mißachtung gestraft werden. Diesen Gefallen können wir ihm tun.“
Gerhard Henschel
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