: Österreich tanzt ein bißchen aus der Reihe
■ Europawahlen stärken SPÖ und Grüne. Haiders Partei sackt um vier Prozent ab
Wien (taz) – Jörg Haider verkroch sich in Kärnten und gab in der Wahlnacht kein einziges Interview. Seine siegesgewohnte FPÖ ist die große Verliererin der Europawahlen, die in Österreich gegen den kontinentalen Trend ausgefallen sind. Die Freiheitlichen sackten gegenüber den ersten österreichischen EU-Wahlen 1996 um satte 4 Prozent auf 23,5 Prozent ab und verloren eines ihrer sechs Mandate. Am meisten zu feiern hatten die Sozialdemokraten und die Grünen. Viktor Klimas SPÖ – 1996 mit sechs Mandaten nur zweite – wurde wieder stärkste Partei und wird im neuen Straßburger Parlament mit sieben Abgeordneten vertreten sein. Die Grünen konnten mit 9,3 Prozent einen zweiten Sitz erobern, den die Schauspielerin Mercedes Echerer einnehmen wird.
Zufrieden sein kann auch die christdemokratische ÖVP, die zwar den ersten Platz abgeben mußte, aber einen Prozentpunkt zulegte und ihre sieben Mandate bestätigte. Ohne Mandat blieb der Kaiserenkel Karl Habsburg-Lothringen, der wegen eines Spendenskandals aus der ÖVP geflogen war und mit seiner blaublütigen Christlich Sozialen Allianz (CSA) einen Alleingang versuchte.
Wie wenig die Österreicher mit dem EU-Parlament anzufangen wissen, wird auch dadurch bestätigt, daß rein nationale Themen wahlentscheidend waren. Allen voran die durch den Balkankrieg plötzlich zur Aktualität gelangte Frage der Neutralität, die vor allem von den Grünen überzeugend in die Wahlschlacht geworfen wurde. Aber auch die SPÖ, der eine eher zwiespältige Haltung zu einem möglichen Nato-Beitritt vorgeworfen werden kann, verstand es, ihr Bekenntnis zur Paktfreiheit erfolgreich zu plakatieren.
Die Ängste der Bevölkerung vor der EU-Osterweiterung und die Debatte über die Brüsseler Korruption, mit denen die Freiheitlichen zu punkten versuchten, wurden dadurch völlig überlagert. Die FPÖ war auch besonders von der Apathie der WählerInnen betroffen, denn ihre Klientel, die wenig Gebildeten und vor allem die wenig gebildeten Frauen, waren unter den Nichtwählern besonders stark. Ralf Leonhard
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