Blättern und Betasten von Druckhandwerk

■ Bücher, Bilder und Ideen – 75 Jahre Büchergilde Gutenberg

Wer Bücher nicht nur wegen ihres Inhaltes, sondern auch wegen ihrer Gestaltung liebt, weiß die Publikationen der Büchergilde Gutenberg zu schätzen. Während andere Buchclubs für ihre Mitglieder die Rechte der jeweils aktuellen Besteller zusammenkaufen und in meist einfalls- bis geschmacklose Schutzumschläge stecken, hat sich die Büchergilde seit jeher ein eisernes Prinzip auf die Fahnen geschrieben: Die Veröffentlichungen sollten nicht nur dem „allgemein-kulturellen“ Interesse entgegenkommen, sondern auch die kunstgewerblichen Ansprüche der treuen Mitglieder befriedigen.

Und die waren hoch, denn begründet wurde der Verlag auf einem Vertretertag des Bildungsverbandes der deutschen Buchdrukker 1924 in Leipzig. Von Gewerkschaftsmenschen also mit besonderem Auge für Buchgestaltung, Graphik und Druckhandwerk. Diesem „Unternehmen ohne Gewinnstreben“, wie es in einer Selbstdarstellung von 1954 heißt, gelang mit diesem Konzept ein wahrer Höhenflug.

Waren es im Gründungsjahr gerade mal 5.000 Mitglieder, so wuchs die Zahl bis 1932 auf immerhin 85.000. 1974 zählte man sogar schon 320.000. Dazwischen lagen aber sehr schwere Jahre. Die SA besetzte 1933 die Verlagsräume der Büchergilde und vereinnahmte das Unternehmen flugs durch die Deutsche Arbeitsfront.

Viele der von der Gilde herausgebrachten Bücher gerieten auf den Index: Werke sozialistischer Autoren und Arbeiterliteratur, bis hin zu den Werken von Upton Sinclair, John Dos Passos, Romain Rolland, oder auch B. Traven und Jack London – zwei Autoren, deren deutsche Editionsgeschichte sehr eng mit der Büchergilde verbunden war und ist.

Die kleine, gemeinsam mit dem Germanischen Nationalmuseum Nürnberg initiierte Ausstellung mit eben vielen schönen Büchern und einigen Dokumenten zur Verlagsgeschichte – wie etwa einem Honorarvertrag Golo Manns – zeigt auch die Bemühungen, wie trotz sinkender Mitgliederzahlen an den alten Ideen und Idealen unbeirrt festgehalten wird: neue Leser etwa für leider kaum mehr beachtete Autoren wie Panait Istrati und Oskar Maria Graf mit eigenen Werkausgaben zu begeistern oder aber ganz zu Unrecht vergessene Bücher wie Arthur Koestlers „Sonnenfinsternis“ oder „Der Augenzeuge“ von Ernst Weiß in einer sehr beachtlichen „Bibliothek Exilliteratur“ endlich wieder zugänglich zu machen.

Man kann die Exponate aber auch ganz anders betrachten, als eine Art Zeitraffer der Entwicklung von Buchgraphik und Einbandgestaltung, bei der stets eine gelungene Verbindung von Moderne und klassischer Nüchternheit versucht worden war.

Nur eins ist sehr schade: daß man sich die – neuerdings u. a. von Bernd Heisig, F. K. Waechter oder Michael Mathias Prechtl illustrierten – Bücher eben nur anschauen und sie nicht in die Hand nehmen, in ihnen blättern und sie betasten darf. Axel Schock ‚/B‘Bis 31. Juli, Staatsbibliothek zu Berlin (Simón-Bolivar-Saal), Haus II, Potsdamer Str. 33, Mitte. Mo–Fr 10–20, Sa. 10–17 Uhr