: Der DFB verwaltet Frauen
Die WM in den USA hat gezeigt, wie man Frauenfußball erfolgreich vermarktet. Das interessiert den Deutschen Fußball-Bund aber offensichtlich nicht ■ Von Matthias Kittmann
Frankfurt/Main (taz) – Es sieht manches nicht gut aus im deutschen Frauenfußball. Lange Jahre war der Deutsche Fußball-Bund (DFB) führend in der Welt, nun droht der Verband von der internationalen Entwicklung abgehängt zu werden. Während am vergangenen Samstag in Los Angeles 90.185 Zuschauer für die größte Kulisse der Geschichte bei einem reinen Frauensportereignis gesorgt haben und viele ein neues Selbstbewußtsein in Teamsportarten für Frauen für die nächsten Jahre voraussagen, herrschen beim größten nationalen Fußballverband der Welt Kleinmut, Neid und Uneinigkeit.
Sportlich lange es für das hochgewettete Team am Ende gerade noch für die Olympiaqualifikation. Das Problem des deutschen Frauenfußballs liegt aber nicht in seiner sportlichen Basis. Auch die Strukturen in der Nachwuchsarbeit sind gut bis sehr gut. Während aber andere Verbände ihr Auswahlteam zunehmend offensiv vermarkten und mit professioneller Pressearbeit begleiten, hat sich der DFB in den USA bestenfalls ein Pflichtprogramm geleistet.
Eine dünne Broschüre informierte nur dürftig, die Spielerinnen wurden mit langweiligen Bildern und noch langweiligeren Informationen vorgestellt. Daß sich hinter den Spielerinnen möglicherweise interessante Persönlichkeiten verbergen, bekam niemand mit. So gelangte lediglich Steffi Jones zu einem gewissen Bekanntheitsgrad, weil US-amerikanische Journalisten hinter ihrem Namen und ihrer Hautfarbe zu Recht eine deutsch-amerikanische Verbindung vermuteten.
Es wurde auch verpaßt, die Bundesliga – mit ihrem Begriff immerhin ein weltweites Markenzeichen – als Vorbild und stärkste Liga der Welt anzupreisen. Selbst die USA als boomland des Frauenfußballs sind gerade erst auf der Suche nach adäquaten Strukturen für eine eigene Liga.
Seltsam ist auch die Uneinigkeit innerhalb der deutschen Delegation. So ließ Engelbert Nelle, Delegationsleiter und DFB-Vizepräsident in Washington, vor der Abreise des deutschen Teams mehrfach durchblicken, der DFB wolle sich für die nächste WM 2003 bewerben, falls Deutschland nicht den Zuschlag für die Männer-WM 2006 bekommt. Hannelore Ratzeburg, DFB-Vorstandsmitglied und Mitglied des Fifa-Komitees für Frauenfußball, wiedersprach eifrig: „Das stimmt nicht, wir werden uns in keinem Fall für 2003 bewerben.“
Statt dessen kam am Rande einer Pressekonferenz zum Fifa-Frauenfußball-Symposium erst auf Nachfrage von Fifa-Pressesprecher Keith Cooper heraus, daß der DFB in den nächsten Jahren ein prominent besetztes Vier-Verbände-Turnier plant, an dem neben dem DFB-Team die beiden WM-Finalistinnen USA und China sowie Ex-Weltmeisterin Norwegen teilnehmen. Diese „Mini-WM“ eingebettet in die hochkochende Frauenfußballhysterie vor der internationalen Presse zu präsentieren, hielt offenbar niemand für nötig.
Auch sonst machen eher Kleinmut und unausgesprochener Neid die Runde. Auf die Frage, was passieren könne, wenn der DFB auch nur mit zehn Prozent des Einsatzes arbeiten würde, mit dem die US-Amerikaner den Frauenfußball forciert haben, antwortete Ratzeburg: „Das kann man nicht vergleichen. In den USA herrschen andere Bedingungen.“
So könne man nicht wie in den USA eine PR-Kampagne aufziehen, weil deutsche Spielerinnen nicht Angestellte des DFB seien. Zweifellos richtig. Nur wären auch in Deutschland Modelle möglich, bei denen die Akteurinnen des Nationalkaders weiterhin zu ihren Klubs gehören, aber gleichzeitig sozusagen Teilzeitbeschäftigte des Verbandes sind – intelligente Lösungen sind immer machbar.
Auch der US-Erfolg kam im übrigen nicht über Nacht. Etwa fünf Jahre sind nötig, bis entsprechende Konzepte greifen. Dazu gehören eine entsprechende moderne Vermarktung, eine aktive Pressearbeit und eine Spielerinnengeneration, die mit öffentlichem Interesse umgehen kann und will und auch etwas zu sagen hat.
Statt dessen kämpfen die beiden Bundestrainerinnen Tina Theune-Meyer und Silvia Neid vergebens darum, daß eine dritte Trainerin eingestellt wird, weil sie die Arbeit mit den verschiedenen Nachwuchsteams kaum noch bewältigen können. Wie sagte Maria Messing, Organisationschefin der WM in den USA, in ihrer Bilanz: „Das wichtigste ist, auch mal ein Risiko einzugehen und an die Sache zu glauben.“ In Deutschland wird die Sache „Frauenfußball“ lediglich verwaltet.
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