: Querspalte
■ Thomas Berthold als Rechtsaußen
Man höre und staune: Selbst Fußballer dürfen Fragebögen ausfüllen – und einmal langt fürs ganze Leben. Thomas Berthold, zum Beispiel, Kicker beim VfB Stuttgart, stand dem Internetbuchhändler buecher.de zu Werbezwecken Rede und Antwort. Damit reihte er sich ein in die Gruppe anderer Bücherwürmer wie Nina Ruge, André Kostolany und Otto Graf Lambsdorff. Das Prinzip ist immer das gleiche: erst die Lieblingsbücher angeben, dann den Lieblingsbuchladen: „buecher.de – weil ich da die beste Auswahl habe“, lobhudelt Mittelfeldspieler Berthold und strahlt von seiner Autogrammkarte herunter.
Hat er denn nicht gemerkt, daß ausgerechnet sein Lieblingsfachbuch im Cyberangebot von buecher.de gar nicht erhältlich ist? Was wiederum Glück ist für den Online-Anbieter, denn der persönliche Lesetip der Sportskanone ist Jan van Helsings „Geheimgesellschaften und ihre Macht im 20. Jahrhundert“ – das wurde wegen seiner antisemitischen Inhalte 1996 von der Mannheimer Staatsanwaltschaft auf den Index gesetzt und ist seitdem in Deutschland verboten. Inhaltlich voll daneben, und auch werbestrategisch ein glattes Eigentor, das Berthold für sein Team buecher.de da geschossen hat. Denn wer wirbt schon für etwas, das er gar nicht bieten kann? Buecher.de hat mit dem Ex-Nationalspieler den Prominenten im Sack gekauft und schreibt sich dessen rechtsextreme literarische Neigungen auf die Fahnen. Da waren die Mitarbeiter wahrscheinlich allzu sehr vom erfolgreichen Börsenstart des Unternehmens enthusiasmiert; im Rausch kleckst man sich halt schon mal was auf die weiße Weste.
Aber lange hat niemand was gemerkt. Selbst Spiegel und Focus konnte die Anzeige untergejubelt werden.
Bis sich Unmut regte – die VVN ist auf Bertholds Buchtip gestoßen. Die Bitte um Aufklärung wiegelten die Verantwortlichen bei buecher.de lapidar ab mit einem „Es handelt sich nicht um die Meinung von buecher.de, sondern um die Meinung von Thomas Berthold“; die besagte Anzeige zogen sie jedoch schnurstracks aus dem Verkehr.
Half aber nichts, die VVN will wissen, ob die Werbung mit einem verbotenen Buch gegen das Indizierungsurteil verstößt. Und dann? Vielleicht ordnen die Richter Strafrunden für Berthold und buecher.de an. Berthold jedenfalls sollte es künftig lieber bei der Grätsche auf dem Fußballplatz belassen, als den Spagat zum kulturellen Rechtsaußen zu versuchen. Jutta Hees
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