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„Guten Tag, ich habe meinen Eisprung“

■ taz-Gespräch über „Kinder von der Samenbank“: Eine lesbische Kleinfamilie spricht über Kinderwunsch, Erziehung, Hoffnungen und Sorgen. „Wenn der Hintergrund stimmt, werden die Kinder klarkommen. Jeder muß doch mit einem Defizit leben“, so die Aussage zweier Mütter.

Sabine(37) und Bascha (32) haben zusammen zwei Kinder: Samuel (5) und Rafael (16 Monate). Auf die Frage: „Wer ist die Mutter?“ antworten die Frauen wie aus einem Mund: „Ich“. Ihre Söhne ließen sie mit anonymem Samen in Holland zeugen – was für sie eine logische Konsequenz ihrer lesbischen Liebe ist.

taz: Ihr habt Euch zum Gespräch über das Thema „Kinder von der Samenbank“ bereit erklärt. Klingt ein bißchen hart, finde ich. „Kinder von der Samenbank“. Trotzdem seid Ihr gekommen. Was interessiert Euch an dem Thema?

Sabine: Ich will an die Öffentlichkeit bringen, dass Frauen wie Bascha und ich keine Ausnahmen mehr sind. Es gibt ganz viele Lesben mit Kinderwunsch. Sie sollen an Informationen kommen – und dabei auch eine gewisse Normalität erfahren. Auch heterosexuelle Leute können so vielleicht sehen, dass wir eine ganz normale Familie sind.

Du sagst, normal. Reagieren die Leute „normal“ auf Euch? Fanden die Großeltern die Empfäng-nismethode nicht der Rede wert?

Bascha: Die Familie hat ganz gut reagiert. Es gab natürlich ein paar Anlaufschwierigkeiten. Es ist schon ein Gedanke, an den man sich gewöhnen muss. Ich glaube auch kaum, dass irgendein Paar vorher zu den Eltern geht und ankündigt, „wir wollen Kinder kriegen“. Auch Freunde und Freundinnen waren zwiegespalten, Freundschaften sind auseinandergegangen – auch weil manche fanden, dass zwei Frauen automatisch verhaltensgestörte Kinder erziehen.

Da gings noch nicht um die Art der Befruchtung?

Nein. Die haben einfach gesagt, wir könnten keine Familie sein.

Das zeigt aber, daß die proklamierte „Normalität“ noch weit ist?

Bascha: Ja. Ich sehe das auch anders als Sabine. Ich finde, dass sogar viele Nachfragen an uns nicht von Normalität zeugen, sondern auch von Voyeurismus. Und was die Samenbanken angeht: Da gehen Heteros auch hin – still und heimlich. Das ist bei denen auch nicht akzeptiert. Für uns ist das genauso schwierig oder leicht.

Wie hat sich der Wunsch, Kinder haben zu wollen, entwickelt?

Sabine: Das stand schon nach zwei Jahren Beziehung im Raum. Nach sechs Jahren machte es bei mir dann plötzlich klick. Ich wußte, jetzt will ich ein Kind. Dann kam die Frage: Wie und mit welchem Samen. Ich habe dann vom Frauengesundheitszentrum in Berlin Adressen von holländischen Samenbanken bekommen und mit meiner Frauenärztin gesprochen.

Wie hat die reagiert?

Erst ein bißchen irritiert – aber dann sehr positiv.

Bascha: Vorher hatten wir ein halbes Jahr mit Freunden gesprochen, wegen des Samens. Wir haben uns auch selbst gefragt: Wollen wir überhaupt jemanden im Hintergrund, der als Vater auftauchen könnte? Gleichzeitig haben uns die Freunde aber kein klares Ja oder Nein gegeben.

Sabine: Da war viel Ambivalenz. Das hat uns auch gestört.

Die Ambivalenz könnte ja gute Gründe haben.

Bascha: Ja. Der Vater könnte Millionär werden – und dann will das Kind erben. In Deutschland haben die Kinder außerdem das Recht zu erfahren, wer der Vater ist – und es ist schwierig, einem Menschen, den man gerne mag, soviel Ungewissheit zuzumuten. Niemand weiss, was in 50 Jahren ist.

Also gab es für Euch keine Alternative zur Samenbank?

Sabine: Ja. Wir wollten auch nicht, dass dieser Vater vielleicht unsere Beziehung und Familie beeinflussen kann.

Der Akt der „Empfängnis“ wird in unserer Gesellschaft oft überhöht. Mußtet Ihr davon abstrahieren – dahin gehend, dass die Zeugung mit anonymem Samen ein technischer Vorgang ist?

Sabine: Für uns ist die Werdung des Kindes das besondere. In welcher Form jetzt der Samen dahin gelangt, ist eine technische Sache. Keine emotionale.

Bascha: Sonst wären wir keine Lesben, ganz krass gesagt. Für Heteros ist ein Lustempfinden dabei, klar, für die ist es ein schöner Akt. Aber ich glaube, dass Männer damit viel mehr verbinden als Frauen. Natürlich ist es aber auch kein schönes Gefühl, sich auf den gynäkologischen Stuhl zu setzen.

Wie habt Ihr entschieden, wer das Kind bekommt?

Beide: Das war klar.

Sabine: Ich wollte gerne austragen. Ich war dann überrascht, wie einfach das in Holland ist.

Was passiert da genau?

Man ruft an, macht einen Termin. In einer Klinik wollten sie psychologische Gespräche mit uns führen. Da hätten wir auch Eigenschaften ankreuzen können, die unser Kind haben sollte. Das hat uns nicht interessiert. Wir sind dann zu einer anderen Klinik gefahren. Da lief das wie ein Geschäft. Du rufst morgens an, sagst „Guten Tag, ich habe meinen Eisprung“ und fährst hin. Die erklären etwas über die Spender, zu zahlst 200 Mark und sie machen die Insemination.

Klingt unkompliziert. Aber irgendwann werden die Kinder fragen: Wer ist mein Papa? Wie richtet ihr Euch darauf ein? Die Frage kommt doch zwangsläufig.

Sabine: Sie werden es nicht wissen. So wenig wie wir. Sie werden – dem Alter entsprechend – erfahren, wie das vonstatten geht. Für Samuel ist es ganz klar, dass er zwei Mamas hat und keinen Papa. So stellt er sich auch anderen vor.

Bascha: Da gibt es kein Patentrezept. Wir haben Freundinnen, da fragen die Kinder schon mit viereinhalb Jahren. Da kannst du einem Kind noch nicht erzählen, es ist in Holland gezeugt. Das ist situationsabhängig. Wir hatten Angst, als er in den Kindergarten kam. Aber er ist ganz gefestigt.

Sabine: Wir hatten nicht Angst, dass das Thema auftaucht, sondern dass er negativ damit konfrontiert wird. So wie: Ätsch, du hast keinen Papa. Aber bisher sind wir überall als zwei Mütter aufgetaucht – und mittlerweile ist es für alle, mit denen wir zu tun haben, selbstverständlich.

Sabine: Die Kinder sind selbstständige Menschen. Es kommt nicht so aufs biologische Erbe an. Was wir ihnen mitgeben wollen, ist Liebe und Anerkennung. Wenn wir es schaffen, ihnen Selbstbewusstsein zu geben, ist es nicht wichtig, wer die biologischen Eltern sind. Wir meinen, dass Menschen, die in ihrer Entwicklung nicht so bestärkt worden sind, viel stärker nach ihren Ahnen fragen. Das wichtigste in der Menschwerdung ist, Kinder zu bestätigen, zu achten und ihnen Liebe und Aufmerksamkeit entgegenzubringen. Dann wird die Frage nach dem Ursprung nicht so massiv im Vordergrund stehen. Wir hoffen, dass wir alles richtig machen.

Bascha: Wie alle Eltern.

Sabine: Ja. Dabei ist es klar, dass die Frage in verschiednenen Altersstufen auftaucht. Aber jeder Mensch hat ein Defizit. Jeder muss damit leben – und zerbricht daran auch nicht. Ich denke, dass ist ein Thema, an dem man nicht zerbrechen muss, wenn der Hintergrund eingermaßen stimmt.

Also habt Ihr einen höheren Erziehungsauftrag? Es klingt, als bräuchten Eure Kinder vielleicht etwas mehr Kraft als andere?

Bascha: Ich finde schon, dass die Verantwortung, Kinder in die Welt zu setzen, von vielen unterschätzt wird. Ich sage das, auch wenn das ein bisschen nach: Frauen zurück an den Herd! klingt. Ich glaube auch, dass Lesben sich viel mehr Gedanken darüber machen als meinetwegen Heteropaare. Deswegen rege ich mich auch darüber auf, dass andere uns in Abrede stellen, dass wir Kinder erziehen dürften und können.

Sabine: Ich möchte meinem Kind bestimmte Werte mitgeben – und auch ein bestimmtes soziales Verhalten. Samuel guckt sich ganz viel von anderen ab – und manches davon gefällt mir überhaupt nicht. Ich will nicht, dass die Jungen zu kleinen Machos werden, die meinen, sie hätten immer Recht.

Es ist bekannt, dass viele durch die Samenbank gezeugte Kinder Jungen werden. War das für Euch ein Thema? Oder habt Ihr Euch darüber nicht den Kopf zerbrochen?

Bascha: Anfangs ja.

Sabine: Wir wollten lieber ein Mädchen – aber gleichzeitig war klar, dass wir für jedes Kind offen sein müssten. Als es dann zwei- dreimal nicht geklappt hat, war alles egal. Da hieß es: Hauptsache es klappt. Wir haben uns auch das Geschlecht sagen lassen, weil wir uns darauf vorbereiten wollten.

Bascha: Wir haben uns nur noch Jungennamen überlegt.

Sabine: Und beim zweiten Kind haben wir uns nur noch einen Jungen gewünscht. Als Bruder für den ersten, damit er jemand an seiner Seite hat. Obwohl Samuel sich eher ein Schwesterchen gewünscht hat. Ihr wollt im Interview anonym bleiben. Warum?

Bascha: Wegen dem Jugendamt. Das geht, glaube ich, allen Frauen so, die ihr Kind alleine auf die Welt bringen. Da kommt dann Vater Staat als zweiter Vormund. Es ist eine ziemliche Prozedur zu erklären, wer ist der Vater und und und. Gut, die zahlen ja auch Unterhaltsvorschuss, einerseits kann ich schon verstehen, dass man da eine gewisse Erklärung abgeben muss. Wir hätten liebend gerne auf das Geld verzichtet. Aber andererseits kann ich die Kinder nicht auf meine Steuerkarte eintragen, wir können also nicht gemeinsam steuerlich veranlagt werden. Wir Lesben können immer gerne zahlen und was abgezogen bekommen, aber kriegen tun wir dafür nichts.

Fragen: Eva Rhode

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