: Abwarten vor dem Teetrinken
Das Berliner Trinkwasser hat Fünf-Sterne-Qualität – aber oft nur bis zum Hausanschluss. Jedes sechste Gebäude in der Hauptstadt hat Bleirohre. Im Extremfall müssen schlechte Leitungen vom Vermieter ausgewechselt werden ■ Von Martin Kaluza
„Das Berliner Wasser wird ausdrücklich für die Zubereitung von Babynahrung empfohlen“, berichtet der Pressesprecher der Berliner Wasserbetriebe (BWB), Stefan Natz, stolz, „das ist so was wie der fünfte Stern für Trinkwasser.“ Schon vor der Bearbeitung werde Trinkwasser getestet, später werden an vielen Stellen im Netz und bei 400 Endabnehmern (meist Schulen und Kitas) regelmäßig Proben genommen. Die Analysewerte von elf Berliner Wasserwerken können unter www.bwb.de im Internet abgerufen werden. „Wasser ist schon per Gesetz das am besten bewachte Lebensmittel“, erklärt Natz. Doch das bedeutet nicht, dass das Trinkwasser auch so sauber aus dem Hahn kommt, wie es die Wasserwerke verlassen hat.
Vom Wasserwerk aus fließt das Trinkwasser in Zement- und Kunststoffrohren zu den Kunden. Doch an der Wasseruhr endet der Einfluss der BWB, und nicht selten verschlechtert sich die Qualität des Wassers in den Hausleitungen. Rund jedes sechste Haus in Berlin, vor allem die Altbauten, hat Bleileitungen. In neuen Gebäuden werden vor allem Kupferrohre eingebaut. Steht in ihnen das Wasser über Nacht, gelangen die Schwermetalle ins Trinkwasser – außer Blei und Kupfer auch Cadmium und Zink.
Zwar sind Kupfer und Zink Spurenelemente, die der Mensch benötigt. Zuviel Kupfer jedoch kann vor allem bei Kleinkindern zu Leberzirrhose führen. Zu hohe Zinkkonzentrationen können Übelkeit und Erbrechen nach sich ziehen, Blei schädigt die Blutbildung, das Nervensystem und die Nieren. Cadmium soll neben Nierenschäden auch schon schmerzhafte Skelettveränderungen verursacht haben.
Die BWB sehen darin keinen großen Anlass zur Sorge. Das Wasser verunreinige sich vor allem, wenn es über Nacht lange in den Leitungen stehe. Wenn man es morgens eine Weile ablaufen lasse, komme nur noch unbedenkliches aus dem Hahn.
Die Grüne Liga und das Berliner Institut für Analytik und Umweltforschung bestätigen, dass „Ablaufwasser“ in der Regel weit geringer belastet sei als „Standwasser“. Natz empfiehlt: „Halten Sie sich ganz einfach an die Faustregel: Erst duschen und aufs Klo gehen, dann erst den Kaffee machen.“
Nicht so auf die leichte Schulter nehmen Mieterverbände die Belastungen. Immerhin verlangt das Mietrecht, dass der Vermieter dafür sorgt, dass aus den Leitungen kein gesundheitsgefährdendes Wasser kommt. Wird im Trinkwasser eine Bleikonzentration festgestellt, die regelmäßig über den gesetzlichen Grenzwerten liegt, und ist es nachgewiesen, dass das Blei aus den Rohren der Hausinstallation stammt, muss der Vermieter sie notfalls in Stand setzen oder sogar komplett austauschen.
Allerdings, so teilt der Deutsche Mieterbund mit, gebe es in der Rechtsprechung noch keine Klarheit darüber, ab welchen Bleiwerten man es mit einem „Mangel an der Mietsache“ zu tun habe.
Obwohl sie die Schwermetallbelastungen bestätigen, sind die Verbraucherschützer, von der Stiftung Warentest über die Grüne Liga bis zur Bifau, mit der Empfehlung von Filtern mehr als zurückhaltend. Übereinstimmend heißt es, viele der handelsüblichen Filter entwickelten sich mit der Zeit zu Keimfallen, besonders wenn die Patronen nicht regelmäßig gewechselt würden.
Die Empfehlungen der Hersteller, alle sechs Monate zu wechseln, erklärt Katrin Astner von der Grünen Liga, seien darüber hinaus zu ungenau: „Wenn jemand besonders stark belastetes Wasser hat, ist der Filter schnell zugesetzt. Dann können Filter sogar Schadstoffe an das Wasser abgeben.“
Andererseits hält Astner Filter auch nicht für generell nutzlos. Wichtig sei, dass man sie sich nicht einfach ohne gegebenen Anlass ins Haus stelle. Astner: „Wir empfehlen Filter nur, wenn tatsächlich Probleme mit dem Wasser festgestellt wurden.“
Seit zwei Jahren hat Thomas Beyer, der selbst Aktivkohlefilter in Berlin vertreibt, immer wieder mit dem schlechten Image der Trinkwasserbereiter zu kämpfen. Immerhin wurden seine Carbonit-Filter mit dem Förderpreis für Innovation des Landes Sachsen-Anhalt ausgezeichnet, und von der Universität Bielefeld wurde der Firma in einem sechsmonatigen Versuch bestätigt, dass ihre Filter undurchlässig für Keime seien. Andere Kohleblockfilter (zum Beispiel die der Firma Multi Pure) kommen zu ähnlich guten Resultaten. Und wenn die Filter gesättigt sind, so Beyer, verschließen sie sich automatisch.
Wer übrigens bereits einen Filter besitzt und darüber nachgrübelt, wie oft er ihn auswechseln soll, ob er damit sein Wasser tatsächlich gründlich reinigt oder ob er eher so was wie eine Keimzucht betreibt, braucht das Gerät nicht verzweifelt zu entsorgen: Die Grüne Liga testet nämlich nicht nur das Trinkwasser, sondern auch die Filter.
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