Auf Augenhöhe mit Schröder

■  Der Bundeskanzler macht auf Einladung von SPD-Spitzenkandidat Momper eine Rundfahrt durch die Hauptstadt. Berliner, Touristen und Mompers Wahlkampfstab winken, der Kanzler winkt zurück

„Guck mal, da ist der Bundeskanzler.“ Wo immer auch Passanten und Touristen gestern Bundeskanzler Schröder auf dem Cabrio-Doppeldeckerbus erspähten, war die Aufregung groß. Schon bei der Abfahrt vor dem Staatsratsgebäude, wo SPD-Spitzenkandidat Walter Momper und Gattin Anne das Ehepaar Schröder abgeholt hatten, harrten zwei Dutzend Passanten aus, um einen Blick auf den Kanzler zu erhaschen.

Die Route der Stadtrundfahrt hatte Momper konzipiert: Er wollte den Schröders gestern „sein Berlin“ zeigen. Mit der nüchternen Sachlichkeit eines routinierten Stadtführers lieferte Momper historische Daten zu den Gebäuden entlang der Route. Am Gendarmenmarkt, dem „schönsten Platz Berlins“, zeigte er unter anderem das Restaurant „V“ – „ein dem Bundeskanzler bestens bekanntes Lokal“.

Auch ein Hinweis auf das Hilton durfte nicht fehlen. Im Büroflügel des Hotels befinden sich die Momper Projektentwicklungs GmbH und Mompers Wahlkampfstab. Seine Mitarbeiter standen am Fenster und winkten. Als der Bus kurz darauf Seite an Seite mit einem Touristen-Doppeldeckerbus stecken blieb, befanden sich einige Touristen unverhofft auf Augenhöhe mit dem Kanzler. Geistesgegenwärtig zückte ein Herr in der ersten Reihe den Fotoapparat. Einige andere winkten freundlich. Winkerei auch in der Friedrichstraße: Viele Passanten waren durch die Kamerateams und Fotografen im Vorderteil des Busses auf die prominenten Insassen aufmerksam geworden.

Am Brandenburger Tor kam es gar zu einem Menschenauflauf. Einige Passanten rannten auf die Fahrbahn, um den Kanzler aus der Nähe sehen zu können. Der Verkehr stockte, Autofahrer hupten. Auf der Fußgängerinsel auf der anderen Seite des Busses kreischten Teenager: „Wo ist er denn?“ Endlich winkte Schröder zurück, die Menge brach in Jubelrufe und freudige Pfiffe aus.

Sparpaket? Rentenreform? Sinkende Sympathiewerte für Schröder? Die Aufregung, den Kanzler einmal live zu sehen, überwog. „Tschüs!“, riefen die Teenies Schröder zu, als sich der Bus in Bewegung setzte, ein paar kleine Jungs sprinteten neben dem Bus her. Auf der Straße des 17. Juni endete die Fahrt erst mal im Stau. Momper schimpfte auf CDU-Verkehrssenator Klemann. Der habe es in neun Jahren nicht vermocht, den Stau aufzulösen. „Im Gegenteil, es wird immer schlimmer.“ Die Punks, die an der Siegessäule mit nacktem Oberkörper die Autofenster putzten, blieben unbeeindruckt von der Kanzlervisite.

Nach dem Potsdamer Platz machte der Bus einen Abstecher nach Friedrichshain und fuhr dann am Kottbusser Tor vorbei in die Kreuzberger Fichtestraße, wo Familie Momper wohnt. Zur Kaffeetafel im Garten waren neben Schröders auch Freunde und Nachbarn Mompers sowie SPD-Fraktionschef Klaus Böger, SPD-Chef Peter Strieder und Kanzlerkumpel Klaus-Uwe Benneter eingeladen. Dorothee Winden