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"Schröder hat den Ausstieg vergeigt"

■ Klaus Traube, ehemaliger Atommanager und seit langem ein exponierter Kritiker der Nutzung von Atomenergie, hatte in Sachen Ausstieg mehr erwartet von der rot-grünen Regierung. Mit Klaus Traube sprach

taz: Herr Traube, wie beurteilen Sie momentan den Handlungsspielraum der Bundesregierung in den Konsensgesprächen?

Klaus Traube: Die Regierung Schröder hat sich seit der Übernahme der Regierung derart diskreditiert, derart willfährig gegenüber der Industrie gezeigt – Stichwort Altautoverordnung –, dass die Atomkraftwerksbetreiber sie eigentlich nicht mehr richtig ernst nehmen als Kontrahenten. Die fühlen sich derartig stark, dass Wirtschaftsminister Müller wahrscheinlich Recht hat, wenn er sagt, auf weniger als 35 Jahre Laufzeit lassen die sich gar nicht ein.

Was wäre denn drin gewesen?

Wäre man professionell an die Geschichte herangegangen und hätte nicht alle Druckmittel ohne Not aus der Hand gegeben, wären auch 25 Jahre auf dem Verhandlungswege erreichbar gewesen.

Welche Druckmittel waren denn das?

Die gesicherte Entsorgung, Rechtsgrundlage für den AKW-Betrieb, steht mangels Fortschritten hinsichtlich der Endlagerung in Frage. Die AKW-Betreiber benötigen daher die Anerkennung einer jahrezehntelangen oberirdischen Zwischenlagerung als Nachweis der sogenannten Entsorgungsvorsorge. Das zweite Druckmittel wäre gewesen, die Altanlagen nach neuen sicherheitstechnischen Erkenntnissen zu behandeln. Drittens hätte man den Atomstromern über eine Novelle des Energierechts Steine in den Weg legen können. Weil man diese Verhandlungsmasse von vornherein aus der Hand gegeben hat, ist die Position der Regierung entscheidend geschwächt. Und wenn man nicht wenigstens 25 Jahre durchsetzt, hat die Sache wenig Sinn.

Machen denn 25 Jahre gegenüber etwa 30 Jahren Laufzeit noch so einen großen Unterschied?

Die 25 Jahre sind deshalb so interessant, weil dann ein Drittel der 19 AKWs noch in dieser Legislaturperiode vom Netz käme. Das wäre auch international ein massives Signal. In dem Augenblick, wo man das auch nur auf 30 Jahre anhebt, ist die Geschichte aus – da ginge gerade noch Obrigheim vom Netz. Und selbst die Maximalforderung der grünen Spitzenpolitiker heißt ja inzwischen „unter 30 Jahren“ – also werden sie sich auch mit 30 Jahren zufrieden geben.

Warum ist Ihnen das Symbol so wichtig?

Wenn nicht in dieser Legislaturperiode eine dicke Reihe von Atomkraftwerken abgeschaltet wird, dann nützt eine Frist vermutlich gar nichts. Denn egal ob sie einen öffentlichen-rechtlichen Vertrag machen oder ein Gesetz: Wenn die nächste Bundestagswahl andere Mehrheiten schafft, kann das Gesetz wie auch der Vertrag aufgehoben werden.

Dann blieben nur Zugeständnisse der Regierung übrig.

Genau, weil man ja im Gegenzug für eine Ausstiegsfrist Wohlverhalten gegenüber der Industrie festschreiben würde.

Sie glauben also nicht, dass man den Ausstieg unumkehrbar machen kann, wie die Regierung ständig erklärt?

Nein, weil der nächste Bundestag das Ausstiegsgesetz aufheben kann und eine neue Regierung im Einvernehmen mit der Atomwirtschaft auch einen Ausstiegsvertrag.

Haben Sie am Anfang der Regierung erwartet, dass es so kommen würde?

Nein, ich hatte mehr erwartet und bin tief enttäuscht über den Verlauf. Schröders Regierung hat den Ausstieg so richtig vergeigt. Ich habe nicht die Hoffnung, dass da noch was Vernünftiges rauskommt.

Sie sprechen Schröder an – meist wird Trittin kritisiert.

Ich hätte auch Kritik an Trittins Vorgehen, aber im Wesentlichen musste er sich doch an Schröders Vorgaben halten. Und denken Sie daran, dass Wirtschaftsminister Müller teilweise ohne Trittin mit den Konzernen verhandeln durfte.

Würden Sie 35 Jahre Laufzeit noch einen Ausstieg nennen.

Nein. Höchstwahrscheinlich sind die meisten AKWs nach 35 Jahren bereits aus wirtschaftlichen Gründen abgeschaltet.

Fielen Ihnen angesichts des Hickhacks um ein Ausstiegsgesetz nicht bessere Wege zum Abschalten ein?

Wenn ein Ausstiegsgesetz mit 35 Jahren herauskäme und wenn die Regierung den Betreibern dafür Wohlverhalten verspricht, dann wäre es tatsächlich besser, keine Vereinbarung zu treffen und lieber die vorhandenen Druckmittel des Atomrechtes zu nutzen.

Zum Beispiel?

Zum Beispiel die Sicherheitsauflagen für Biblis, die bereits eine CDU-Landesregierung vorgeschrieben hatte, endlich durchzusetzen. Bislang ging das nicht, weil die alte Bundesumweltministerin Merkel mit Weisungen den Hessen in den Arm gefallen ist. Es wäre schon viel gewonnen, wenn die Sicherheitsvorschriften konsequent angewendet würden.

Kann die Umweltbewegung das Blatt noch wenden?

Ich habe nicht das Gefühl, dass die im Moment stark genug ist. Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung ist zwar für einen Ausstieg, aber nur ein kleiner Prozentsatz will den Sofortausstieg, den die Antiatombewegung fordert – und der ja moralisch gerechtfertigt ist. Das Schlimme ist aber: Durch das Affentheater der Regierung Schröder ist dieses Thema bereits diskreditiert und interessiert immer weniger Leute.

Könnte ein Castor-Transport daran etwas ändern?

Ja, es bedarf solcher Kristallisationspunkte, um das, was an Bewegung noch da ist, auf die Beine zu bringen. Aber Schröder denkt an die breiten Wählerschichten. Und umso länger das Hickhack andauert, ohne dass etwas herauskommt, umso weniger wird die Frage Atomausstieg das Wahlverhalten noch beeinflussen.

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