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Das THW leistet Hilfe zur Selbsthilfe

Der Winter steht vor der Tür, und im Kosovo kommt wegen mangelnder Abstimmung der Organisationen der Wiederaufbau nicht voran. Das Technische Hilfswerk leistet unbürokratisch Wiederaufbauarbeit    ■ Aus Orahovac Erich Rathfelder

Wer dieser Tage von Priština aus durch das Kosovo fährt, dem bietet sich ein erschreckendes Bild. Immer noch. Die meisten Dörfer links und rechts der Strasse sind zerstört. Zwar zeigen sich Menschen in den Ruinen, dass die Bewohner zurückgekehrt sind. Doch viele Familien leben in den Zelten, die sie aus den Flüchtlingslagern in Albanien oder Makedonien in ihr Dorf mitgenommen haben. Der Wiederaufbau geht nur schleppend voran.

„Es waren einige Male Vertreter der internationalen Organisationen hier“, sagt ein Bauer aus Klina, einem Dorf, das 40 Kilometer westlich der Provinzhauptstadt Priština im italienischen Sektor liegt. Sein von einer hohen Mauer umgebenes Gehöft ist weitgehend zerstört. Das Wohnhaus wurde wie die Ställe von den Soldaten der jugoslawischen Armee niedergebrannt, lediglich der Schober für die Maiskolben ist stehengeblieben. „Die Vertreter der internationalen Hilfsorganisationen haben sich alles erklären lassen und Hilfe versprochen. Vom UNHCR sollte ich ein Dach bekommen, wenigstens zwei Räume sollten wieder instand gesetzt werden. Doch wiedergekommen ist bisher noch niemand.“

„Ich brauche Mörtel, Zement und Ziegelsteine“

Der Bauer hat natürlich selbst Hand angelegt. Er hat den Schutt zur Seite geräumt, die brauchbaren Steine zu einer Mauer zusammengefügt. „Ich brauche Mörtel, Zement, Leitungsrohre, Fensterstöcke, Türen und vor allem Ziegelsteine. Damit könnte ich das Wohnhaus wenigstens notdürftig herrichten“, sagt der Mann. Ihm fehlt das Geld, sich die Materialien selbst zu kaufen. Dem Nachbarn geht es ähnlich. „Wir wollen alle arbeiten, wir können aber nicht.“ Auch er hoffe bisher vergeblich auf Hilfe von außen.

Es müsse schnell gehandelt werden, der Winter stünde vor der Tür, erklären die Sprecher der Flüchtlingsorganisation der Vereinten Nationen (UNHCR) und der mehr als hundert Hilforganisationen, die im Kosovo aktiv geworden sind. Doch den Absichtserklärungen stehen viele bürokratische Hindernisse entgegen. Noch immer schmunzelt die „humanitäre Szene“ über das UNHCR, das die Flüchtlinge aus Albanien und Makedonien erst nach Einrichtung von Büros „zurückführen“ wollte, dann aber feststellen musste, dass die Leute vor deren Fertigstellung längst von alleine zurückgekehrt waren.

Der Bedarf wird festgestellt, dann wird geliefert

„Das UNHCR hat die Auslieferung von Notdächern versprochen. Aber das Material lag wochenlang herum, weil man erst einmal ein Formular entwerfen wollte“, sagt ein Kritiker, der, wie bei den internationalen Organisationen öfter, seinen Namen nicht nennen will. Kritik an den Kollegen ist öffentlich verpönt. Um so mehr zerreißt man sich die Mäuler hinter dem Rücken der anderen. Der Konkurrenzkampf der Hilfsorganisationen erschwert die Koordinierung der Projekte.

Dass es auch anders geht, beweist das Technische Hilfswerk aus Deutschland. In Orahovac und den umliegenden Dörfern kennt jeder die blauen Fahrzeuge mit der Aufschrift THW. Wer als ortsunkundiger Besucher nach dem „Office“ fragt, dem wird der Weg gerne gewiesen. Das THW ist populär. Denn das Technische Hilfswerk steht an „vorderster Front“ beim Wiederaufbau der vom Krieg besonders betroffenen Region Orahovac.

Das Office befindet sich auf dem Gelände einer ehemaligen Baufirma. Auf dem 3.500 Quadratmeter großen Hof stapeln sich die Hilfsgüter. „Morgens kommen bis zu acht Sattelschlepper mit Material“, sagt Klaus Buchmüller, der langjährige Chef des THW auf dem Balkan. „Am Nachmittag ist das Material schon auf die Dörfer verteilt.“ Schnell, unbürokratisch und kompetent zu helfen ist die Devise des Mittvierzigers, der das „Bauhof-Modell“ schon in Bosnien entwickelt hat.

Das Material für den Wiederaufbau soll so schnell wie möglich umgeschlagen werden. Die Leute können in den Bauhof kommen, mit den Fachleuten des THW reden, Projekte vorschlagen. „Einer unserer wichtigsten Grundsätze ist, der Bevölkerung selbst alle Möglichkeiten zum Wiederaufbau zu verschaffen“, erklärt Buchmüller gut gelaunt. Der Bedarf an Material werde in den Dörfern von Fachleuten festgestellt. Gleich danach werde geliefert.

Die Menschen können sich selbst helfen, die Mitarbeiter des THW stehen lediglich mit Rat und Tat zur Seite. „Zu unseren Grundsätzen gehört, einheimische Fachkräfte einzustellen, ihnen die gleiche Verantwortung und Ausrüstung zu geben wie den Deutschen.“ Die zehn deutschen Mitarbeiter arbeiten bisher mit rund 35 Einheimischen reibungslos zusammen.

Auch KFOR-Soldaten helfen mit ihren Lastwagen

Die Bilanz nach nur dreimonatiger Arbeit kann sich in der Tat sehen lassen. In den Dörfern der Region stapeln sich die Ziegelsteine, überall wird gehämmert und gesägt. Nur wenige Kilometer von Klina entfernt im deutschen Sektor des Kosovo wird, statt auf Hilfe zu warten, angepackt. Das THW hat in der Stadt Orahovac selbst die Strom- und Wasserversorgung wieder instand gesetzt, die Poliklinik in Betrieb genommen, hunderte von Dächern in den umliegenden Dörfern gebaut, Pumpen und Generatoren in die Region geschafft, von den serbischen Streitkräften mit Öl verseuchte Brunnen gesäubert, Trinkwasser in 13 Ortschaften gebracht, Bauholz verteilt und hunderte von Tonnen Materialien für den Wiederaufbau in die Dörfer geschafft.

Auch andere internationale Hilfsorganisationen werden herangezogen. In Zusammenarbeit mit der Caritas wurden zum Beispiel über 200 Häuser in dem Dorf Celina winterfest gemacht. Auch holländische KFOR-Soldaten helfen mit ihren Lastwagen, Materialien heranzuschaffen.

Seit einer Woche blockiert die albanische Bevölkerung die Zufahrtswege nach Orahovac. Die Fahrzeuge des Technischen Hilfswerks aber werden durchgelassen. „Dabei helfen wir auch den Serben in dem Dorf Velika Hoca und der Serbenenklave in Orahovac“, sagt Klaus Buchmüller. „Die Albaner haben nicht schlecht gestaunt, als ich mit dem serbischen Bürgermeister durch den Ort hierher zum Bauhof gefahren bin.“

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