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Verzicht auf DDT bahnt sich an

Internationale Anti-Pestizid-Konferenz offenbart Konfliktstoff. Die Industrieländer setzen auf Technologie. Umweltschützer fordern „saubere Chemie“  ■   Von Ralph Ahrens

Köln (taz) – Sie trafen sich alle letzte Woche in Genf: Greenpeace, World Wide Fund for Nature (WWF), das Pestizid-Aktions-Netzwerk (PAN) sowie Vertreter indigener Völker. Aufmerksam verfolgten sie, was 113 Staaten zum weltweiten Bann von zwölf Umweltgiften, den sogenannten POPs, sagen.

Das Ziel haben die Vereinten Nationen vorgegeben: Ende des kommenden Jahres soll eine völkerrechtlich verbindliche Konvention zum Bann dieser POPs vorliegen. Klaus Töpfer, Ex-Bundesumweltminister und Chef des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, hat es eilig: „Es kann nicht sein, dass wir um die Gefährlichkeit dieser Stoffe wissen und nichts tun.“

Zu den Leidtragenden zählen die Eskimos: Obwohl sie keine Pestizide verspritzen und in der Arktis nur wenige Schornsteine rauchen, reichern sich dort Dioxine, Pestizide und polychlorierte Biphenyle (PCB) an. Diese Gifte gelangen mit Wind und Wasser in den hohen Norden, sie werden nur langsam abgebaut und reichern sich in der Nahrungskette an. „Wir ernähren uns fast nur von Seehunden, Walen und Fischen, und diese Tiere sind hochbelastet“, so Sheila Watt-Cloutier von der Eskimovertretung Inuit Circumpolar Conference. Gehandelt werden muss weltweit. Doch das ist nicht immer einfach. Problemlos werden sich die Regierungen auf Ausstiegsfristen für die Insektizide Aldrin, Endrin und Toxaphen einigen.

Anders sieht es zum Beispiel bei dem Insektengift DDT aus, das nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) 22 Staaten einsetzen. Thailand, Sudan und andere „DDT-Staaten“ wollen das Insektengift weiter einsetzen, um ihre Bevölkerung zu schützen. Selbst die WHO empfiehlt den Einsatz dieses Giftes, um der Anopheles-Mücke, der Überträgerin der Malariaerreger, Herr zu werden.

Doch inzwischen bahnt sich ein Sinneswandel an: „Wir können unter bestimmten Bedingungen auf DDT verzichten“, glaubt Robert Bos, WHO. Nämlich dann, wenn die „DDT-Staaten“ finanziell und technisch unterstützt werden. Denn es kostet Geld, Menschen zu zeigen, wie sie das Problem an der Wurzel packen können, etwa durch Trockenlegung von Sümpfen oder durch das Aussetzen von Fischen, die Mückenlarven fressen.

Doch nicht alles hängt am Geld. Manchmal reicht es, dass falsche Informationen offiziell verbreitet werden. So kritisiert Carina Weber von PAN-Deutschland die Datenbank der Unep, in der Alternativen zu POPs aufgelistet sind. „Viele der dort aufgelisteten Pestizide stuft die WHO als 'hoch gefährlich‘ oder 'extrem gefährlich‘ ein.“ Diese chemischen Pestizide töten alle Termiten, auch die Nützlinge. Lokal bewährte Strategien zur Termitenkontrolle fehlen hingegen.

Am weitesten gehen die Meinungen bei Dioxinen und Furanen auseinander. So ist noch offen, ob Ziel der POP-Konvention sein wird, Dioxinemissionen zu reduzieren oder zu eliminieren. Die Industrieländer, allen voran die EU und die USA, wollen Dioxinemissionen mit moderner Technik unter Kontrolle bringen. So verweist Ulrich Schlottmann vom Bundesumweltministerium und Leiter der deutschen Delegation auf die Erfolge mit Elektrofiltern in Müllverbrennungsanlagen – ein kommender Exportschlager der deutschen Industrie. „Wir müssen verstehen, daß in den meisten Teilen der Welt keine Verbrennungsöfen wie in Deutschland gebaut werden können“, meint dagegen Jack Weinberg von Greenpeace International. Es sei sinnvoller und billiger, in Entwicklungsländern eine 'saubere Chemie‘ anzustoßen: „Also kein PVC, keine chlorierten Lösemittel und keine chlorierten Pestizide.“

Außerdem widersprächen sich die Europäer selber, betont Weinberg: Denn in der Ospar-Konvention zum Schutz des Nordostatlantiks hatten sie beschlossen, bis zum Jahr 2020 die menschengemachten Dioxinemissionen auf Null zu senken.

Erst während der nächsten beiden Verhandlungsrunden – im März in Bonn und im Herbst in Südafrika – wird sich die Staatengemeinschaft auf Ausstiegfristen, Ausnahmegenehmigungen, Fonds etwa für einen Malariaimpfstoff einigen müssen. Bis dahin sind alle auf der Suche nach Bündnispartnern. Greenpeace ist im Einsatz für eine saubere Chemie, PAN und WWF setzen auf integrierte Schädlingsbekämfpung ohne chemische Keule, und der Verband der Chemieindustrie bespricht sich mit der EU-Kommission und der amerikanischen Delegation.

Doch keiner sollte bei den Verhandlungen das Ziel, eine POP-freie Welt, aus den Augen verlieren, meint Tom Goldtooth, Direktor des Indigenous Environmental Network, das die Indianer Nordamerikas vertritt: „Viele Staatsmänner verstehen uns nicht. Wir haben eine spirituelle Beziehung zur Natur. Das heißt, jede Umweltverschmutzung stört unser Grundrecht, unsere Kultur auszuüben.“

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