: Wien will sich nicht belehren lassen
■ Beziehungen auf dem Tiefpunkt: Während sich Wien nach Haiders Wahlerfolg gegen Kritik aus Israel verwahrt, verschärfen die Israelis ihr Urteil: Österreicher sind Antisemiten
Wien/Jerusalem (dpa/AFP) – Angesichts der in Israel immer schärfer werdenden Kritik am Wahlerfolg des Rechtspopulisten Jörg Haider in Österreich haben die Beziehungen beider Staaten einen neuen Tiefpunkt erreicht. Bundeskanzler Viktor Klima (SPÖ) wies die Drohung des israelischen Außenministers David Levy, die Beziehungen zu Österreich zu überdenken, falls die FPÖ in die Regierung komme, mit „aller Schärfe“ zurück.
Levy hatte wiederholt erklärt, die Wahlergebnisse seien „ein Besorgnis und Abscheu erregendes Phänomen, das auf die Unsensibilität der Bürger hinweist“. Die FPÖ sei eine „Partei mit Nazi-Doktrin“ sagte Levy, die Wahlergebnisse müssten „in jedem aufgeklärten Staat Angst auslösen“.
Klima verwahrte sich gestern in Wien gegen diese Angriffe. Österreich sei kein rechtsradikales Land und könne nicht so dargestellt werden. Auch Bundespräsident Thomas Klestil wies die Drohung Levys zurück und forderte „mehr Sorgfalt und Fairness“ in der Berichterstattung über Österreich. In einer Erklärung erinnerte er daran, dass das Land auf demokratischen Prinzipien gründe und ein respektiertes Mitglied der Europäischen Union sei. Er könne es nicht widerspruchslos hinnehmen, „dass unserem Land durch ungebührliche Äußerungen und übertriebene Reaktionen internationaler Schaden zugefügt wird“.
Der angegriffene FPÖ-Chef Jörg Haider bezeichnete die Reaktionen aus Israel selbst als „hysterische Akte“. Er habe noch niemals in seinem Leben eine antisemitische Äußerung gemacht. Dies bescheinigte ihm laut österreichischer Nachrichtenagentur APA sogar Österreichs oberster Nazijäger Simon Wiesenthal. Allerdings legte Haider nach, dass Außenminister Levy mit seiner Haltung den eigenen Bürgern und den Juden in Europa schaden könnte: Derartige Reaktionen würden Antisemitismus schüren.
Doch die israelischen Kritiker legten gestern noch ungerührt nach: Teddy Kollek etwa, gebürtiger Österreicher und langjähriger Bürgermeister Jerusalems, ließ sich mit der Feststellung vernehmen, „Österreich ist ein antisemitischer Staat. Der Fremdenhass war immer ein Teil des österreichischen Charakters.“ Die Wahlen bewiesen es. Die Jewish Agency will einen Sonderbeauftragten nach Österreich schicken, um auswanderungswillige Juden zu unterstützen. Ein Sprecher der Organisation, die für die Einwanderung nach Israel zuständig ist, sagte, man gehe nicht von einer „unmittelbaren Gefährdung“ der österreichischen Juden aus: „Die neue Lage schafft jedoch eine unangenehme Atmosphäre.“
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