: Rot-Grün liefert Panzer an die Türkei
■ Der Bundessicherheitsrat unter Vorsitz von Bundeskanzler Schröder beschließt die Lieferung eines Leopard-Kampfpanzers an die Türkei – auf Probe. Bündnisgrüne sehen eine Regierungskrise heraufziehen
Berlin (taz) – Seit Wochen kündigen führende Grüne an, sich künftig nicht mehr von der SPD unterbuttern zu lassen – jetzt probt die Partei erstmals den Aufstand gegen eine Kanzlerentscheidung. Der Anlass: Auf Druck von Bundeskanzler Schröder und gegen das Votum von Außenminister Joschka Fischer hat der Bundessicherheitsrat gestern den Export eines deutschen Panzers in die Türkei erlaubt. Schröders Vorgehen sei „nicht akzeptabel“, erklärte Grünen-Geschäftsführer Reinhard Bütikofer umgehend. „Die Entscheidung des Bundessicherheitsrates steht im Widerspruch zum Koalitionsvertrag.“
Dabei glaubte Schröder eigentlich, einen Kompromiss ermöglicht zu haben. Der Bundessicherheitsrat, dem neben dem Kanzler die Minister für Verteidigung, Wirtschaft, Entwicklungshilfe und Äußeres angehören, hat dem Konzern Krauss-Maffei-Wegmann erlaubt, sich um einen Rüstungsauftrag aus der Türkei zu bewerben. Zu diesem Zweck darf er einen Leopard II-Panzer als Erprobungsexemplar exportieren. Allerdings muss der Hersteller erneut um eine Genehmigung nachsuchen, wenn er den Zuschlag für die tausend Panzer im Wert von bis zu 14 Milliarden Mark erhält.
Der Rat tagt unter strikter Geheimhaltung, aber es gilt als sicher, dass sowohl Joschka Fischer als auch Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul den Deal ablehnen. Sie fürchten, derartige Geschäfte Deutschlands mit der Türkei könnten die dortige Menschenrechtssituation eher verschlechtern. Die grüne Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses, Claudia Roth, erklärte im taz-Interview, sie sei über die Entscheidung „wütend und enttäuscht“. Die Grünen würden sie nicht „einfach so hinnehmen“, sondern versuchen, „das in Aussicht stehende Waffengeschäft zu verhindern“. Der Beschluss habe innerhalb der Koalition „eine große Krise“ ausgelöst, sagte die Politikerin. Der Beschluss sei so grundlegend, dass er nicht „gegen das Votum des Außenministers und gegen die Auffassung der grünen Partei“ hätte gefällt werden dürfen. Allerdings sparte sie auch Joschka Fischer nicht von ihrer Kritik aus. Er „hätte darauf bestehen müssen, dass die Entscheidung verschoben wird“, sagte Roth der taz.
Die grüne Wehrexpertin Angelika Beer hat als Konsequenz aus der Entscheidung die Schaffung einer Kontrollinstanz für den Bundessicherheitsrat gefordert. Der stellvertretende SPD-Fraktionschef Gernot Erler, der sich im Vorfeld kritisch zu Waffenexporten in die Türkei geäußert hatte, erklärte hingegen, der Beschluss werde von seiner Fraktion getragen: „Die SPD-Fraktion kann mit dem jetzigen Beschluss leben.“ Durch die ausdrücklich diplomatische Erklärung, dass sie sich einen weiteren Beschluss über das Panzergeschäft vorbehalte, sei keine Vorentscheidung getroffen worden. Innerhalb des kommenden Jahres könne dann unter anderem der Stand der Menschenrechtssituation in der Türkei neu bewertet werden. Dazu gehöre die Prüfung, ob das Angebot der Kurden an die Regierung in Ankara, den Bürgerkrieg zu beenden, angenommen werde. Außerdem könne auch geprüft werden, ob den EU-Forderungen nach einer Verbesserung der Menschenrechtssituation im Land Rechnung getragen werde. Patrik Schwarz
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