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Der Nationale Verteidigungsrat beriet über Städtebau

■ Die Anwälte der Politbüromitglieder versuchen nachzuweisen, dass Krenz, Schabowski und Kleiber nie über wirklich wichtige Fragen des DDR-Grenzregimes entschieden haben

Egon Krenz war da, während seine Mitangeklagten Schabowski und Kleiber fehlten. Ein bemerkenswertes Bild. Ausgerechnet der Ex-Staatschef, der sich bei jeder Gelegenheit gegen die „Siegerjustiz“ verwahrt, erweist dem Gericht die Ehre. Schabowski hatte sich allerdings brieflich entschuldigt, weil er sich an dem „Medienspektakel“ nicht beteiligen wollte. Dem hatte Kleiber sich angeschlossen. Dabei hat Krenz das Medienspektakel erst ausgelöst. Normalerweise sind in einer Revisionsverhandlung JuristInnen unter sich.

In Leipzig, wo der Bundesgerichtshof seit zwei Jahren eine Außenstelle unterhält, wird nun überprüft, ob die Verurteilung von Krenz, Schabowski und Kleiber durch das Berliner Landgericht Rechtsfehler aufweist. Die Staatsanwaltschaft Berlin hat in ihrer Revision beantragt, die Strafen zu erhöhen. Dagegen fordern die Verteidiger einmütig Freispruch.

Eigentlich werden hier zwei Prozesse in einem geführt. Die Fälle Schabowski und Kleiber unterscheiden sich in einigen Aspekten deutlich vom Fall Krenz. So wurde der letzte SED-Parteichef zu einer doppelt so hohen Strafe verurteilt wie seine beiden Ex-Genossen. Außerdem muss er auch eher mit einer Strafverschärfung rechnen. Denn die Bundesanwaltschaft unterstützt die Berliner Revision nur im Fall Krenz, die Urteile gegen Schabowski hält man für hart genug.

Zu erklären ist dieser Unterschied damit, dass Krenz als Sekretär der Abteilung für Sicherheitsfragen unmittelbar mit dem Grenzregime zu tun hatte, während Schabowski und Kleiber eigentlich nur vorgeworfen werden kann, dass sie Mitglied im Politbüro, der faktisch höchsten Instanz im Staate, waren.

Von Krenz hatte man daher vermutet, dass er den Leipziger Prozess von vornherein verloren gibt und ihn nur als Durchgangsstation auf dem Weg zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg sieht. Dort will er überprüfen lassen, ob er überhaupt wegen Straftaten verurteilt werden durfte, die zu DDR-Zeiten noch keine waren.

In Deutschland ist diese Frage bereits abschließend geklärt. Das Bundesverfassungsgericht hatte diese „Durchbrechung des Rückwirkungsverbots“ im November 1996 ausdrücklich abgesegnet. Die Tötung unbewaffneter Flüchtlinge, so hieß es damals zur Begründung, sei ein „offensichtlicher Verstoß gegen völkerrechtlich geschützte Menschenrechte“ und erlaube eine Abweichung von grundgesetzlichen Garantien.

Krenz' Anwälte argumentierten gestern jedoch gar nicht damit, dass in Deutschland keine Gerechtigkeit zu erwarten sei. Vielmehr fragten sie – ebenso wie die Verteidiger von Schabowski und Kleiber – nach der „Kausalität“ von Krenz' Teilnahme an bestimmten Beschlüssen des Politbüros und des Nationalen Verteidigungsrates einerseits und konkreten Todesfällen an der Mauer andererseits.

Übereinstimmend betonten die Verteidiger, dass die wesentlichen Entscheidungen über das Grenzregime bereits in den 60er- und Anfang der 70er-Jahre gefallen waren, also lange bevor die drei Angeklagten in die Führungsspitze aufrückten. Das Berliner Landgericht konnte auch nur zwei völlig unbedeutende Politbüro-Beschlüsse von 1985 und 1986 finden, in denen die Arbeit der Grenzsoldaten immerhin positiv erwähnt wurde. „Daraus kann aber keinesfalls ein 'ideologischer Schießbefehl‘ konstruiert werden“, betonte Dirk Lammer, einer der beiden Verteidiger Schabowskis. Bei Krenz kommt außerdem noch ein Beschluss des für Grenzfragen eigentlich zuständigen Nationalen Verteidigungsrats hinzu. Doch Krenz-Verteidiger Dieter Wissgott befand, dass es in der fraglichen Sitzung eigentlich um eher harmlose Fragen gegangen sei. „Da wurden vor allem städtebauliche und gärtnerische Fragen im Hinblick auf das Berliner 750-Jahr-Jubliäum besprochen.“

Ob das Berliner Urteil bestehen bleibt, ist nach dem gestrigen Prozessverlauf wieder offen. Vielleicht ärgert sich Krenz daher inzwischen ein bisschen, dass er bereits nach dem Berliner Urteil still und heimlich Klage in Straßburg eingereicht hat. Denn so hat er deutlich gemacht, was er eigentlich vom BGH hält.

Christian Rath, Leipzig

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