: Harte Strafen für die Peiniger Daniel Nivels
■ Im Essener „Hooligan-Prozess“ verhängt das Gericht Freiheitsstrafen von bis zu zehn Jahren. Der Hauptangeklagte hat nach Auffassung der Richter mit klarer Tötungsabsicht gehandelt
Essen (taz) – Gut sechzehn Monate nach dem Überfall deutscher Hooligans auf den französischen Polizisten Daniel Nivel hat das Essener Schwurgericht die vier Angeklagten zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Die höchste Strafe erhielt der Gelsenkirchener André Zawacki. Wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung soll er für zehn Jahre hinter Gitter. Der 28-Jährige habe mindestens einmal „mit Tötungswillen“ mit einem metallenen Gewehraufsatz auf den Kopf des wehrlos am Boden liegenden Polizisten eingeschlagen, „sodass der Schädel brach“, sagte der Vorsitzende Richter Rudolf Esders.
Wegen „gefährlicher, da gemeinschaftlicher Körperverletzung“ müssen auch die drei anderen Fußballrowdys ins Gefängnis: Tobias Reifschläger für sechs Jahre, Frank Renger für fünf Jahre und Christopher Rauch für drei Jahre und sechs Monate. Renger und Reifschläger hätten auf den Körper des wehrlosen Polizisten eingetreten. Rauch habe sich zwar selbst nicht an den Misshandlungen beteiligt, doch hafte er für die gemeinschaftlich begangene Körperverletzung mit, so Richter Esders. Mit den Urteilen blieb das Gericht unter dem Strafmaß, das die Staatsanwaltschaft gefordert hatte. Die vier haben nun eine Woche Zeit, gegen das Urteil Einspruch zu erheben.
Daniel Nivel, das Opfer des brutalen Überfalls am Rande der Fußball-Weltmeisterschaft letzten Sommer im nordfranzösischen Lens, war bei der Urteilsverkündung anwesend. Er nahm das Urteil gegen seine Peiniger ohne Regung hin. Seine Frau Lorette Nivel sagte später, die Familie begrüße die Haftstrafen.
Richter Esders betonte bei der Urteilsverkündung, er wolle mit den Strafen „kein Exempel“ statuieren. Die Angeklagten seien allein aufgrund ihrer persönlichen Schuld verurteilt worden. Esders sagte in der Urteilsausführung ferner, dass nicht mit letzter Sicherheit gesagt werden könne, welcher der Hooligans Nivel die schweren gesundheitlichen Schäden zugefügt hatte. Zawacki habe aber mit klarer Tötungsabsicht gehandelt. Als Beleg für dessen Tat wertete Esders ein Foto, das den Hooligan mit dem Gewehraufsatz in der Hand über dem Kopf des am Boden liegenden Polizisten zeigt. Esders malte in der Urteilsbegründung ein dramatisches Bild der Ereignisse vom 21. Juni vergangenen Jahres, als hunderte deutsche Hooligans am Rande des Fußball-Weltmeisterschaftsspiels Deutschland – Jugoslawien pöbelnd durch den französischen Ort Lens zogen und schließlich eine rund 30-köpfige Gruppe den französischen Gendarmen überrannte und lebensgefährlich verletzte. „Ihr Anblick und ihr Verhalten war ein Schock für jeden zivilisierten Menschen“, sagte Esders. Martin Murphy
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