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Richters Sendungsbewusstsein

Ronald „Gnadenlos“ Schill droht für seinen Schau-Prozess im Privat-TV ein Disziplinarverfahren. Heftige Kritik von Juristen  ■ Von Elke Spanner

Mit seinem Fernsehauftritt bei „Guten Abend RTL“ könnte sich Richter Ronald Schill ein weiteres Disziplinarverfahren eingehandelt haben. Die Sprecherin der Hamburger Gerichte, Sabine Westphalen, bestätigte gestern, dass Schills Dienstvorgesetzte „eingehend prüfen, ob das noch im Rahmen des rechtlich Zulässigen war, insbesondere ob das richterliche Mäßigungsgebot beachtet wurde“.

Amtsgerichtspräsident Heiko Raabe wird sich die Sendung von Donnerstagabend noch einmal in Ruhe ansehen, in der Schill eine langjährige Haftstrafe „von bis zu 15 Jahren“ für den stadtbekannten Sprayer „OZ“ gefordert hatte (ta* berichtete). Außerdem hatte „Richter Gnadenlos“ von der „klammheimlichen Freude“ seiner Bekannten berichtet, dass OZ vor wenigen Wochen von privaten Wachleuten krankenhausreif geprügelt worden war. Kommt Raabe zu dem Schluss, dass Schill mit seinem Schau-Prozess gegen seine Pflichten als Richter verstoßen hat, könnte das ein Disziplinarverfahren nach sich ziehen – mit Sanktionen zwischen einfacher Verwarnung und Entlassung aus dem Amt.

Als besonders heikel wird von Juristen bewertet, dass Schill sich zu einem Fall äußerte, in dem der Berufungsprozess vor dem Landgericht läuft. „Es qualifiziert ihn ab“, so der zweite Vorsitzende des Hamburgischen Anwaltvereins, Hellmut Sempell, „wenn er sich über Verfahren äußert, deren Akten er nicht einmal kennt. Jegliche Vorverurteilung sollte man vermeiden.“ Auch der frühere Präsident des Landgerichts und heutige Ehrenvorsitzende des Hamburgischen Richtervereins, Roland Makowka, findet es „zumindest unfair, sich zu einem schwebenden Verfahren zu äußern. Dadurch könnten die Schöffen beeinflusst werden.“

Eigentlich sind es mittlerweile alle leid, permanent zu diesem auf- und ausfallenden Richter Stellung beziehen zu müssen. Der Vorsitzende des Strafverteidigervereins, Otmar Kury, möchte Schill nicht „durch ständige Kommentare aufwerten“. Inga Schmidt-Syaßen, Vorsitzende des Hamburgischen Richtervereins, will „nicht kommentieren, was Herr Schill in seiner Freizeit tut“. Auch ihr Richterkollege und Stellvertreter im Vereinsvorsitz, Gerhard Schaberg, will nichts mehr sagen, „schließlich gibt es täglich etwas Neues“.

Doch Schill scheint zu weit vorgeprescht. So deutet Schaberg seine Zweifel an, dass es „mit dem richterlichen Mäßigungsgebot vereinbar ist, dass Richter die laufenden Verfahren ihrer Kollegen kommentieren“. Und Kury bezeichnet den Fernsehauftritt als „nicht wieder gut zu machendes Versagen“. Ein solches Auftreten sei „mit dem gesetzlichen Leitbild einer unabhängigen und seriösen Richterpersönlichkeit nicht im Ansatz zu vereinbaren“.

„OZ“, so dessen Anwalt Christian Helmke, sei „entsetzt“ über die Äußerungen Schills zu seinem Fall. Helmke selbst findet Schill „inkompetent: Er kennt nicht den Fall, aber das Ergebnis“. Ex-Landgerichtspräsident Makowka hofft, dass es „das Bild eines Richters, das Herr Schill darstellt, in Deutschland nicht noch einmal gibt“.

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