: Asterix am langen Jammer
■ Die Initiative gegen den Weiterbau der Straßenbahnlinie 4 rüstet auf: her mit der Hollerlandtrasse – notfalls mit Gewalt
Noch ist Frieden auf der Lilien-thaler Heerstraße. Der tägliche Stau braucht noch gut 40 Minuten. Aber nach ein paar Kilometerrn kommen schon die ersten Kampfparolen: „Keine Linie 4 ohne Ent-lastung“ prangt in fetten Lettern von einer Garage. Eine Initiative für die Hollerlandtrasse macht hier Front gegen den geplanten Ausbau der Straßenbahnlinie 4.
Der Stau-Stress von der Innenstadt nach Lilienthal mit Bus und Straßenbahn dauert gut eine Stunde. Der Busfahrer stöhnt: „10 Minuten Verspätung“. Das ist Alltag für ihn. Alltag, der im Fahrplan nicht mal berücksichtigt wird. Ohne Warten geht es nicht in Lilienthal.
Gut 25.000 Autos plagen sich täglich hier durch. Ohne Linie 4 staut es sich im Jahr 2005 auf 28.000 Blechkisten, rechnet die BSAG. Mit Straßenbahn nur 22.000. Die Bahn soll die Strecke einmal in knapp 30 Minuten schaffen. Anklang findet das bei den Lilienthalern aber nicht.
Schon gar nicht bei Gotthard und Katja Böhm. Sie haben die Initiative für die Hollerlandtrasse gegründet und organisieren systematisch den Protest. „Wenn ich etwas mache, dann kniee ich mich voll rein“, sagt Gotthard Böhm. „Wir stehen mit der Initiative auf und gehen mit der Initiative ins Bett“, sagt seine Frau.
Böhm stand 20 Jahre lang im Stau. Morgens um 7 Uhr. Und auf dem Rückweg nach Lilienthal. 10 bis 15 Minuten. Heute ist er fein raus: Der 55-Jährige arbeitet im Haus. Völlig ohne Stau. Eigentlich hätte er die Initiative gar nicht nötig. Aber er tut's für die Kinder, sagt er.
Sieben Pläne rollt er nun auf dem Tisch aus. Mit grünem und rosa Marker hat Böhm die strittigen Stellen markiert. Und die findet der Gas- und Wasserinstallateur fast an jeder Straßenecke. Dann pappt er seine breiten Finger auf die einspurigen Linien: „Das kann doch nicht funktionieren“, sagt er.
Fakt ist aber: Die Fahrbahnen sollen einmal 5,50 Meter messen. Das ist immerhin Überbreite, aber einen halben Meter an 2 vollen Spuren vorbeigeschrammt. 2 Autos passen dennoch bequem nebeneinander her. Nur 2 Laster nicht, wie es die CDU im Koalitionsvertrag festgeschrieben hat. Und das verstört auch Katja Böhm: „Was, wenn die Müllabfuhr kommt“, fragt sie.
Die Welt könnte für Böhms viel einfacher sein – gäbe es keine Sumpfohreule, Wachtelkönige oder Kampfläufer. Ohne diese Vogelarten, allerlei Schnecken, Fische und Gräser hätte man einfach eine Autotrasse durch das Hollerland schlagen können, glaubt Böhm. Dann hätte sein Stau-Trauma ein Ende gehabt.
Tatsächlich sieht im Moment alles nach Gesamt-Schlechtwetterlage aus: Die Beiräte in Horn-Lehe und Borgfeld haben die bisherigen Planungen abgelehnt. In Borgfeld ist mittlerweile sogar die SPD dagegen – mit der CDU hat man mit 8:1 die Grünen überstimmt. Die Bürgerwehr-Demos hatten in der Tat schon Wirkung: Seit dem ersten Stau-Gig Mitte Oktober sind bei beiden Ortsämtern um die 10 Widersprüche gegen die ausgelegten Pläne eingegangen. Einer davon mit über 200 Unterschriften.
Vorteile vom Bürger-Aufstand hat vor allem die CDU. Denn die Diskussion um die Linie 4 fördert nicht nur alte Forderungen nach breiten Straßen, sondern auch die Forderung nach der Bebauung des Hollerlands.
Böhmes Initiative macht derweil munter weiter. Nächsten Donnerstag gibt es eine weitere Stau-Demo. Außerdem will man Sternfahrten organisieren, und so alle Ausfallstraßen Bremens stauen. Und dann: Eine Petition an den Bundestag. Die Fördergelder für den Bau der Straßenbahnlinie 4 (80 Millionen Mark) wären Geldverschwendung. „Aber das“, sagt Katja Böhm, „wäre dann wirklich nur der absolute Notfall“. pipe
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