: Tödlicher Streit unter Kurzhaarigen
■ Drei Türsteher der Diskothek Kudorf stehen wegen Totschlags und gefährlicher Körperverletzung vor Gericht. Ihr Opfer war zuvor selbst Türsteher in der Diskothek
Das Einzige, was zählt, ist Muskelkraft. Auf die Masse der Gehirnzellen kommt es bei dem Job offenbar nicht an. Das wurde in einem Prozess gegen drei Türsteher offenbar, die sich seit gestern vor dem Landgericht wegen Totschlags beziehungsweise gefährlicher Körperverletzung verantworten müssen. Die drei Männer im Alter zwischen 23 und 29 Jahren sollen einem Gast, der früher selbst Türsteher war, so schwer misshandelt haben, dass dieser an Ort und Stelle starb. Die Tat hatte sich am 25. Mai 1999 in der Diskothek Kudorf in der Joachimstaler Straße ereignet.
Die Angeklagten waren Beschäftigte einer Sicherheitsfirma, die damals erst einen Monat im Kudorf tätig war. Das Markenzeichen der neuen „Sicherheitsbelegschaft“ war, dass die großen und bulligen Türsteher im wesentlichen aus dem Ostteil der Stadt sowie den neuen Bundesländern kamen. Auch bei der Vernehmung vor Gericht kamen sämtliche Zeugen und zwei der Angeklagten mit in Skinhead-Manier kurz geschorenen Haaren. Einzig der in Untersuchungshaft sitzende Hauptangeklagte hatte sich die Haare etwas wachsen lassen.
Über das Opfer ist bislang wenig bekannt geworden. Fest steht aber, dass der 27-jährige Frank G. auch knapp 1,90 Meter groß und 135 Kilo schwer war und die Haare kurz geschoren hatte. Er war im Kudorf als Türsteher tätig, bevor die neue Truppe den Laden übernahm. Frank G. stammt aus dem Westteil der Stadt. In den Ermittlungsakten wird er als Mitglied einer rechtsextremistischen „Wannseefront“ geführt.
Der Grund für die Auseinandersetzung ist unklar. Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft haben die Türsteher Frank G. mehrfach geschlagen und getreten, auch als er bereits am Boden lag. Dennoch ist er noch einmal zum Stehen gekommen. Als er in Richtung Ausgang gebracht wurde, soll er von dem dort postierten Hauptangeklagten zu Fall gebracht und mit dem Fuß so ins Gesicht getreten worden sein, dass er das Bewusstsein verlor. Nach Angaben eines Rechtsmediziners ist G. am Tatort an seinem eigenen Blut erstickt.
Der wegen Totschlags vor Gericht stehende Hauptangeklagte verweigert die Aussage. Die beiden Mitangeklagten gaben mehrere Schläge zu. Einer der beiden hat als Boxer und Karatekämpfer mehrere Titel geholt. Schule und Tischlerlehre brach er jedoch vorzeitig ab. „Sicherheitsmann“ ist er, nach seinen eigenen Angaben seit einem Jahr. Als Grund für die Auseinandersetzung gaben die Angeklagten an, Frank G. habe einen Gast massiv bedroht. Denkbar ist, dass die Angeklagten so überzogen reagierten, weil sie von der früheren Türstehertruppe um Frank G. einen Angriff befürchteten. Klaus K., Chef der neuen Truppe, sagte als Zeuge, die Alten hätten sich von den Neuen „verdrängt“ gefühlt. Auch bei der angeblich zu 70 Prozent aus Ausländern bestehenden Kundschaft des Kudorfs sei die neue Truppe nicht sonderlich beliebt gewesen, sagte der kurz geschorene Klaus K. Die vornehmlich „aus dem arabischen Raum kommende Stammkundschaft“ habe sich „entsetzt“ darüber gezeigt, dass sie plötzlich Geld für den Besuch der Gaststätte habe bezahlen sollen. Der Prozess wird fortgesetzt. Plutonia Plarre
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