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Auch Sozialhilfeempfänger bekommen mehr KindergeldDie nackten Tatsachen

An einem Abend in diesem Frühherbst lief der entscheidende Beitrag in den „Tagesthemen“. Thema: das Sparpaket, die Familienförderung. Mehr Kindergeld sollte es geben, für alle Familien. Doch dann trat Frau M. auf, allein erziehend, Mutter eines autistischen Kindes. Frau M., so erfuhr ein Millionenpublikum, würde keinen Pfennig sehen vom schröderschen Geldsegen. Denn die Mutter und ihr Kind leben von Sozialhilfe; das Kindergeld aber wird in voller Höhe auf die Stütze angerechnet. Frau M. und ihr behindertes Kind waren gewissermaßen der lebende Beweis für die „Gerechtigkeitslücke“ – und damit ein Problem für Gerhard Schröder.

Die Geschichte hat doch noch ein gutes Ende genommen für Frau M. und für den Kanzler. Ab 1. Januar, so beschloss es jetzt der Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag, werden auch Sozialhilfeempfänger 20 Mark mehr im Monat pro Kind an Kindergeld bekommen – und diese Summe wird zum ersten Mal nicht auf die Sozialhilfe angerechnet. Ein Beweis, wie weit man gesetzliche Vorgaben interpretieren kann, wenn die Bilder und Gefühle nur stark genug sind. Schon in den vergangenen Jahren war das Kindergeld erhöht worden – doch die Sozialhilfeempfänger waren kaum ein Thema dabei. Die juristischen Gegenargumente, dass die Sozialhilfe nun mal eine „nachrangige“ Leistung sei, auf die andere Einkommen eben angerechnet würden, hielten der Kritik lange stand. Diesmal nicht. Die Grünen beriefen sich jetzt darauf, dass auch bisher schon in bestimmten Fällen anderes Einkommen nicht auf die Sozialhilfe angerechnet wird. Zum Beispiel das Erziehungsgeld. Für eine Übergangsfrist, bis die Regelsätze neu festgelegt werden, könne man daher auch die 20 Mark pro Kind freigestellt lassen.

Die ausgestandene Kontroverse ist bezeichnend für die Gerechtigkeitsdiskussion im Allgemeinen und den Stand der Sozialhilfe im Besonderen: In Deutschland genießen die Armen eben doch einen Schutz der öffentlichen Meinung – immer dann, wenn Mütter und Kinder beteiligt sind. Dann geraten übliche Vorurteile ins Wanken, etwa das Klischee, dass Sozialhilfeempfänger nicht arbeiten wollen. Das setzt Zeichen auch für künftige Armutsdiskussionen in Deutschland: Eine generelle Absenkung der Sozialhilfe, wie sie Arbeitgeber manchmal fordern, wird hier zu Lande kaum möglich sein. Denn damit werden zentrale Werte auch der Konservativen in Frage gestellt: Familie und Mutterschaft.

Barbara Dribbusch

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