: Deutscher nur nach gründlicher Lektüre
■ Innenverwaltung lässt nach wie vor offen, ob Einbürgerungsanträge künftig mit einer Anfrage beim Verfassungsschutz verknüpft werden. Fest steht: Bewerber müssen Zeitung lesen können
Wenige Tage vor Inkrafttreten des neuen Staatsbürgerschaftsrechts am 1. Januar hat die Bremer Innenverwaltung noch immer nicht entschieden, ob künftig jeder, der einen Einbürgerungsantrag stellt, vom Verfassungsschutz überprüft wird. „Die Frage ist noch offen“, erklärte Hartmut Spiesecke, Sprecher von Innensenator Bernd Schulte (CDU), auf Nachfrage gegenüber der taz. Sowohl die Bündnisgrünen als auch die Ausländerbeauftragte appellieren an Schulte, auf eine Regelanfrage zu verzichten. Der Beschluss der Innenministerkonferenz, der die Ausfüh-rungsvorschriften zu dem rot-grünen Kompromiss regelt, überlässt es den Ländern, ob sie sich an den Verfassungsschutz wenden. Bisher ist eine Anfrage lediglich bei Ermessens-, nicht aber bei An-spruchseinbürgerungen üblich.
Der innenpolitische Sprecher der Bremer Grünen, Matthias Güldner, begrüßt zwar, dass Schulte bisher signalisiert habe, nicht jeden Einzelnen überprüfen zu wollen, rechnet aber stattdessen mit einer Überprüfung bestimmter Gruppen wie Kurden oder Palästinenser. Dann aber würde nicht per se jeder Ausländer in die Nähe der Kriminalisierung gerückt, „sondern Menschen dieser oder jener Herkunft, und das ist auch nicht besser,“ so Güldner.
Die Ausländerbeauftragte Dagmar Lill lehnt eine Überprüfung schon aus Gründen des bürokratischen Aufwands ab: „Das Verfahren ist ungeheuer zeitaufwändig, und erfahrungsgemäß werden sie über weniger als ein Prozent der Überprüften etwas erfahren.“
Fest steht, dass laut dem am 1. Januar in Kraft tretenden Gesetz die zuständigen Beamten in der Innenverwaltung überprüfen werden, ob der Einbürgerungswillige über ausreichende Deutschkenntnisse verfügt. In der Einigung der Innenminister heißt es, dass man sich „in der deutschen Umgebung sprachlich zurechtfinden“ und „einen deutschsprachigen Text des alltäglichen Lebens (z.B. einen Zeitungsartikel) lesen, verstehen und im wesentlichen mündlich wiedergeben“ können muss. Die weitere Handhabe bleibt den Ländern überlassen. Einige, unter ihnen Berlin, überantworten die Überprüfung der Sprachkenntnisse den Volkshochschulen.
In Bremen hofft man, dass „die allermeisten Bewerber bereits Nachweise mitbringen“, so Spiesecke – in Form von Schul- oder Berufabschlusszeugnissen. Jene, die nicht über ausreichende Sprachkenntnisse verfügen, sollen verpflichtet werden, einen Sprachkurs zu besuchen. „Wer Deutscher werden will“, so Spiesecke, „muss sich in dieser Sprache verständigen können“.
Nach Schätzungen von Gule Iletmis, Geschäftsführerin des Ausländer-Dachverbandes DAB, werden allerdings höchstens die Hälfte der Einbürgerungswilligen Nachweise über ihre Sprachkenntnisse mitbringen. Sie fordert den Senat auf, keine all zu strengen Anforderungen zu stellen: „Vor allem die erste und zweite Generation muss man großzügig behandeln“, so Iletmis, „wer vor 30 Jahren hierhergekommen ist, hatte eine völlig andere Lebensperspektive.“ Der Beschluss der Innenminister sieht vor, dass die Anforderungen bei über 60-Jährigen sowie bei der Miteinbürgerung von Ehegatten heruntergeschraubt werden können. Dagmar Lill hält eine strikte Altersbeschränkung für problematisch: „Und was machen Sie mit einem 58jährigen, der seit 30 Jahren hier lebt und nicht einmal wirklich lesen kann?“ jago
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