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Böser Verdacht ■ Ein Sicherheitskonzept für die Luxemburg-Ehrung ist überfällig
Nimmt man die abgeblasene Luxemburg-Liebknecht-Demonstration zum Maßstab, ist in dieser Stadt in Zukunft noch so einiges möglich: Was bei offiziellen Anlässen undenkbar erscheint, ist bei der größten linken Veranstaltung der Hauptstadt bittere Wirklichkeit geworden. Die apokalyptische Drohung eines Friedrichshainers reichte aus, um das Anliegen Zehntausender zunichte zu machen. Einzig notwendige Voraussetzung dafür war der halbwegs realistisch geführte Nachweis der eigenen Unberechenbarkeit. Eine Vorlage, die künftig auch andere unkonventionelle Bittsteller zur Tat motivieren könnte.
Ausgerechnet Innensenator Eckart Werthebach, bei anderen Gelegenheiten kein Freund eines nachgiebigen Rechtsstaates, hat sich angesichts der kurzfristigen Bedrohung als erpressbar erwiesen. Nicht zuletzt, weil ihm ein zweiter tödlicher Zwischenfall wie der vor dem israelischen Generalkonsulat politisch das Genick brechen könnte. Dass es gerade Werthebach war, der noch im vergangenen Jahr ein hartes Durchgreifen befahl und seine Beamten daraufhin die Samthandschuhe im Spind ließen, erweist sich als Treppenwitz der Geschichte.
Auch das schwere Gerät, das die Polizei gestern gegen die trotz des Verbotes erschienenen Demonstranten aufgefahren hat, dürfte kaum zum Aufbau eines Vertrauensverhältnisses beigetragen haben. Einen Vertrauensvorschuss gab es dennoch: Die PDS vertraute auf die Darstellungen der Polizei und verzichtete auf eine Klage gegen das Verbot. Eine seltene Einheitsfront von Sicherheitsbehörden und Linken, die der Brisanz der Lage geschuldet war: Tote in Friedrichsfelde hätte sich keiner der Beteiligten verziehen. Doch die Haltung der PDS erscheint inkonsequent: Teilt sie die polizeiliche Einschätzung, dann wäre die vorläufige Absage der Veranstaltung an ihr gewesen, statt sich auf einem Verbot der Sicherheitsbehörden auszuruhen.
Dennoch liegt es nun an der Polizei, ein tragfähiges Sicherheitskonzept für das verschobene Gedenken zu entwickeln. Sie könnte damit dem bösen Verdacht zuvorkommen, sie sei am Schutz mancher Veranstaltungen weniger interessiert als an dem anderer.
Andreas Spannbauer
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