piwik no script img

„Ich schäme mich, ohne Wenn und Aber“

■ Ohne jede Hähme: Debatte über CDU-Skandal in der Hamburger Bürgerschaft

Die Athmosphäre erinnerte an eine Beisetzung. Mucksmäuschen still war das vollzählige Plenum, ohne jede Hähme die Debatte über die CDU-Affäre in der Aktuellen Stunde der Bürgerschaft.

CDU-Fraktionschef Ole von Beust bedankte sich bei den anderen Fraktionen, „dass sie auf jede Schadenfreude verzichtet haben“. Zuvor hatte er „ohne Wenn und Aber“ eingeräumt: „Im Namen der CDU ist gegen Gesetze verstoßen“ worden. „Besonders infam“ sei der Missbrauch jüdischer Mitbürger durch die hessische Union und deren Ex-Vorsitzenden Manfred Kanther: „Ich und meine Fraktion schämen sich dafür“, erklärte von Beust und entschuldigte sich „ausdrücklich“. Zugleich distanzierte er sich erneut von Kohl. „Eine Wahrheitsfindung ohne personelle Konsequenzen kann es nicht geben.“ Ob er damit auch weitere Unions-Politiker und Parteichef Wolfgang Schäuble meinte, ließ von Beust offen.

Hinter vorgehaltener Hand zeigten sich gestern mehrere CDU-Abgeordnete überzeugt, „dass Schäuble nicht zu halten ist“. Auch für einen Sieg des Partei-Vize Volker Rühe bei der schleswig-holsteinischen Landtagswahl am 27. Februar gebe es keine großen Hoffnungen. Eine Chance habe Rühe nur noch, „wenn die CDU aus dem Schatten Kohls heraustritt“, so von Beust zur taz (siehe Interview Seite 2).

In der Aussprache hatte SPD-Fraktionschef Holger Christier über „Vertrauensverlust bei den Bürgern“ und den „Schaden für die Demokratie“ resonniert, den Kohl und Kanther angerichtet hätten. Speziell bei Letzterem sei ihm nicht klar, „wo da noch der Unterschied zur organisierten Kriminalität liegen soll“.

Martin Schmidt (GAL) hatte Kanther eine Wiederbelebung „des alten deutschen Antisemitismus“ attestiert. Als Bundesinnenminister habe Kanther die Formel „Auge um Auge zur Maxime des Rechtsstaates gemacht und Deutschland das Gesicht der Ausländerfeindlichkeit aufgesetzt“. Wenn die Union es schaffe, „sich von diesem Vermächtnis zu verabschieden, dann hätte sich der Skandal gelohnt“. Der Regenbogen-Abgeordnete Norbert Hackbusch lobte von Beust für dessen „klaren Worte“. Er müsse nun beweisen, dass „die auch so gemeint sind“. Im Vergleich zu den CDU-Machenschaften seien „die angeblichen rechtsfreien Räume, die sie sonst so heftig kritisieren, ein Nichts“.

Während dieser Debatte traf Helmut Kohl an der Rückseite des Rathauses ein – in der Handelskammer. Im Auditorium dort: Hamburgs CDU-Parteichef Dirk Fischer. Er wolle, erklärte Fischer, „Hamburgs Respekt vor der Lebensleitung Helmut Kohls ausdrücken.“ Sven-Michael Veit

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen