: Wär er nur zu Fuß gegangen
■ Staatsrechtler Arnim hält Strieders Freiflug im Firmenjet für „verfassungsrechtlich nicht zulässig“. Ex-Senatorin Hübner hatte eine Einladung Dussmanns abgelehnt. Grüne: Gratisflug hat „Geschmäckle“
Ein Dienstflug im Firmenjet, wie ihn Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) mit dem Dienstleister Peter Dussmann nach Moskau unternahm, ist nach Ansicht des Staatsrechtlers Hans Herbert von Arnim „verfassungsrechtlich nicht zulässig“.
Der renommierte Parteienkritiker sagte, Regierungen dürften sich grundsätzlich nicht sponsern lassen. Nur die Finanzierung ihrer Tätigkeit aus allgemeinen Steuermitteln garantiere Unabhängigkeit gegenüber privaten Interessen. Deshalb dürften sich Regierungsmitglieder nicht zu Reisen einladen lassen. „Das gilt auch bei dienstlichen Anlässen“, fügte Arnim hinzu.
Die taz hatte berichtet, dass Strieder im Dezember 1998 mit einer Wirtschaftsdelegation in Dussmanns Firmenjet kostenlos nach Moskau geflogen war. Der Senator, der zugleich SPD-Landesvorsitzender ist, hatte sein Verhalten mit der „Ersparnis für den Landeshaushalt“ gerechtfertigt. Strieder betonte, die Reise nach Moskau sei sein einziger Flug an Bord einer Firmenmaschine gewesen.
Wie die taz gestern erfuhr, hatte Dussmann auch der damaligen Gesundheitssenatorin Beate Hübner (CDU) angeboten, für eine gemeinsame China-Reise im Mai vergangenen Jahres seinen Firmenjet zu benutzen. Auf Hübners Wunsch reiste allerdings die gesamte Delegation per Linienflug. „Manche Dinge gehen einfach nicht, das sollte man eigentlich wissen“, sagte Hübner.
Die Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) forderte Strieder zu einer „rückhaltlosen Offenlegung seiner Beziehungen zu Dussmann“ auf. Der Flug mit dem Jet eines Unternehmers, der die Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten verlange, werfe ein völlig neues Licht auf die „plötzliche Abkehr der Berliner SPD-Spitze von ihrer ursprünglichen Ladenschlussposition“, erklärte der HBV-Landesvorsitzende Manfred Birkhahn.
Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Renate Künast, urteilte, der Vorgang habe ein „Geschmäckle“. Ein Senator dürfe „nicht einmal den Anschein einer Bevorzugung“ entstehen lassen. Künast bezeichnete es als „einzig richtige Verhaltensweise“, wenn Strieder den Preis für einen Linienflug an Dussmann überwiesen hätte. Im Vergleich zum CDU-Parteispendenskandal handele es sich aber um eine „Mini-Affäre“.
Der CDU-Fraktionsvorsitzende Klaus Landowsky wählte die Flugaffäre der nordrhein-westfälischen SPD als Maßstab. Damit sei Strieders Gratisflug, der „dem Steuerzahler Geld erspart“ habe, „nicht vergleichbar“. Es gelte, „bei allem Verständnis für die Aufgeregtheit, Augenmaß zu bewahren“, nahm Landowsky den Koalitionspartner in Schutz.
In der SPD stieß Strieders Freiflug nur auf verhaltene Kritik. Vize-Fraktionschef Christian Gaebler sagte, es wäre besser gewesen, wenn Strieder den Flug bezahlt hätte: „Dann wäre klar gewesen, dass es sich nicht um eine Gefälligkeit handelt.“ Der Erklärungsbedarf wäre geringer gewesen. „So wirkt es merkwürdig“. Der Fraktionsvorsitzende Klaus Wowereit erklärte, er könne „nichts Beanstandenswertes erkennen“. Auch Schulsenator Klaus Böger (SPD) sah „kein großes Problem“. Der Senat solle aber prüfen, ob die Reiserichtlinien präzisiert werden müssten.Ralph BollmannDorothee Winden
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen