Kaum Kritik am Schweinesystem

Selbst die PDS reagiert auf den CDU-Skandal verhalten. Parteichef Lothar Bisky lobt sogar die Stärke der Demokratie

In Zeiten, in denen der Boden schwankt, auf dem die großen Volksparteien bislang sicher standen, möchte man sich gern an etwas festhalten. Dazu gehören vorzugsweise letzte Gewissheiten. Im CDU-Spendenskandal zählt zu diesen Gewissheiten das Urteil über die PDS. Sie profitiere wie keine andere Partei von der Krise der Christdemokraten, heißt es immer wieder. Die Argumentation ist dabei stets die gleiche: Die Genossen würden jetzt all diejenigen einsammeln, die sich von der Politik im Allgemeinen, von den westlichen Parteien im Besonderen und von der CDU sowieso abwenden würden. Die PDS lasse ihrem Populismus freien Lauf.

Vermutlich gehört es zu den Besonderheiten der CDU-Krise, dass nicht einmal mehr diese Gewissheit Bestand hat. Die Genossen aus dem Osten verhalten sich in diesen Tagen alles andere als populistisch. Auch von Häme ist keine Spur. Die PDS-Führung redet über die Kohl-Affäre fast so vorsichtig wie Joschka Fischer und fast so staatstragend wie Gerhard Schröder. Parteichef Lothar Bisky singt angesichts der vielen Enthüllungen sogar ein „Hohelied“ auf die Demokratie: „Dass jetzt alles so konsequent rauskommt und aufgedeckt wird, wäre in der DDR nicht möglich gewesen.“ Natürlich zeige sich in der Affäre auch eine „große Schwäche der Demokratie“, so Bisky. Man dürfe für die Gesetzesbrüche Einzelner aber nicht gleich das gesamte parlamentarische System in Haftung nehmen. Antiwestliche Ressentiments bedient man mit solchen Sätzen im Osten kaum.

Die betonte Sachlichkeit der PDS-Spitze hat vor allem zwei Gründe. Da ist zum einen die Einsicht, dass man sich besser zurückhält, wenn man aus einem Land kommt, in dem die Partei nicht nur 16, sondern 40 Jahre lang der Staat war und in dem nicht einmal das Ehrenwort herrschte, geschweige denn das Recht. „Wir sitzen vom Glashaus noch nicht so weit weg“, meint Roland Claus, der parlamentarische Geschäftsführer der Bundestagsfraktion. Matthias Gärtner, stellvertretender PDS-Fraktionschef in Sachsen-Anhalt und mit 27 Jahren einer der jüngeren, aufstrebenden Parteifunktionäre, formuliert das schärfer: „Mit unserer SED-Geschichte sollten wir uns hüten, angesichts des jetzigen Skandals die angebliche Verkommenheit des kapitalistischen Schweinesystems zu geißeln.“

Zum anderen sind die führenden Genossen überzeugt davon, dass die Affäre der gesamten Demokratie schadet. „Wenn einer von dieser Krise profitiert, dann ist es nicht die demokratische Linke, sondern die extreme Rechte“, so Claus. Gärtner erinnert in diesem Zusammenhang an den desolaten Zustand der CDU in Magdeburg vor den Landtagswahlen 1998. Davon habe nicht etwa die PDS, sondern die rechtsextreme DVU profitiert. Und dann hört man von dem jungen PDS-Politiker noch einen Satz, für den er bei den Genossen an der Basis kaum Beifall finden dürfte. „Die Bundesrepublik“, so Gärtner, „braucht eine konservative Kraft wie die CDU.“

Die bedächtige Haltung der PDS-Spitze ist im Bundesvorstand und in der Bundestagsfraktion so gut wie unumstritten. Kritik kommt lediglich von der Kommunistischen Plattform und dem Marxistischen Forum, von zwei Gruppen also, die, wenn überhaupt, an der Basis Unterstützung finden, in der Parteiführung jedoch keinerlei Einfluss haben. Die Kommunistin Sahra Wagenknecht wirft PDS-Chef Bisky „peinliche Anbiederung ans System vor“. Uwe-Jens Heuer vom Marxistischen Forum versteht die Zurückhaltung seiner Parteiführung ebenfalls nicht. Er drängt darauf deutlich zu machen, dass „in der bürgerlichen Demokratie das Kapital Einfluss ausübt – legal, aber eben auch illegal“. Der PDS-Ehrenvorsitzende Hans Modrow drückt seine Kritik etwas moderater aus. Die Analyse des Parteispendenskandals durch seine Partei sei ihm nicht grundsätzlich genug. „Die CDU-Krise“, so Mordrow, „ist eine Systemkrise.“ Jens König