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Immer weniger Ausländer unter den Azubis

■ Der Anteil ausländischer Jugendlicher auf dem Ausbildungsmarkt ist drastisch gesunken. Die Grünen fordern eine Quote für den öffentlichen Dienst. Sie befürchten: „Die soziale Ungleichheit droht sich zu verfestigen“

Der Anteil ausländischer Jugendlicher auf dem Ausbildungsmarkt geht immer weiter zurück. Lag er 1994 noch bei 8,8 Prozent, so sank er bis 1998 auf 5,6 Prozent. Und das, obwohl der Bevölkerungsanteil der ausländischen Jugendlichen 15 Prozent beträgt. Dieser Trend dürfte sich auch im Jahr 1999 fortgesetzt haben, sagt Bernhard Jänschke, Leiter der Abteilung Berufsberatung beim Landesarbeitsamt Berlin-Brandenburg. Genaue Zahlen liegen noch nicht vor.

Die Hauptursache für diese Entwicklung sehen Arbeitsmarktexperten in den schlechteren Schulabschlüssen der jungen Ausländer, die fast zur Hälfte lediglich die Hauptschule besuchen. Zudem ist ihr Anteil an Schulabbrechern besonders hoch. Überdies machten sich zu einem gewissen Teil die Einbürgerungen bemerkbar, so Bernhard Jänschke. Ehemalige Ausländer würden statistisch – anders als in den USA – nicht mehr erfasst.

Die Ausländer hätten es deshalb besonders schwer, weil die Bedeutung von Lehrstellen in der Industrie immer weiter zurückgehe, berichtet ein DGB-Sprecher. Im Dienstleistungsbereich, etwa als Bank- oder Versicherungsangestellte, hätten sie mit ihren Abschlüssen und bei den Bewerbungsgesprächen aber kaum Chancen.

Ausländische Azubis hatten 1998 nach Angaben des Statistischen Landesamtes im Bereich Banken und Versicherungen nur einen Anteil von 1,2 Prozent. Bei den so genannten Fertigungsberufen waren es hingegen 6,8 Prozent. Für den DGB-Sprecher ist denn auch klar: „Eine direkte Diskriminierung liegt höchstens in Einzelfällen vor.“ Strukturell gebe es aber Defizite. Ausländische Kinder und Jugendliche müssten bereits in der Schule gezielter gefördert werden.

Der rückgängige Anteil der ausländischen Jugendlichen auf dem Ausbildungsmarkt liegt jedenfalls nicht daran, dass diese vergleichsweise häufig studieren. Der Rückstand der jungen Ausländer in der betrieblichen Ausbildung werde nicht durch den Besuch von weiterführenden allgemein bildenden oder beruflichen Schulen kompensiert, analysiert das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Auch hier liege der Anteil der ausländischen Jugendlichen deutlich unter dem der deutschen. Es sei davon auszugehen, dass dies auch für Berlin zutreffe.

Für den Grünen-Abgeordneten Hartwig Berger belegt die Statistik eine höchst beunruhigende Entwicklung. Die soziale Ungleichheit ethnischer Gruppen drohe sich damit immer mehr zu verfestigen. Es sei eine Schande, dass ausländische Jugendliche auch auf öffentlichen Ausbildungsplätzen benachteiligt seien. Ihr Anteil liege bei nur 1,8 Prozent, während er 1994 noch bei 5,6 Prozent gelegen habe.

Der Senat müsse noch in diesem Jahr Schritte zum Abbau der unerträglichen Ausbildungsungerechtigkeit einleiten, fordert Berger. „Zum Ersten muss für den öffentlichen Ausbildungssektor eine Quote eingeführt werden: Der Anteil der ausländischen Azubis muss mindestens ihrem Bevölkerungsanteil entsprechen.“ Zweitens müssten der Senat und der Rat der Bürgermeister im Rahmen der diesjährigen Ausbildungskampagne aktiv für die Einstellung von Azubis nichtdeutscher Herkunft werben. Richard Rother

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