: Helmut Kohl wird für die CDU zum Sündenbock
Die CDU verstärkt den Druck auf ihren einstigen Chef. Und stärkt damit sich selbst
Berlin (AP/dpa) – In der CDU-Spendenaffäre wächst der Druck auf Altbundeskanzler Helmut Kohl, sich aus der Politik zu verabschieden. Thomas Goppel, Generalsekretär der bisher eher Kohl-treuen CSU, forderte den einstigen Chef seiner Schwesterpartei gestern direkt auf, sich bis zur völligen Klärung des Skandals aus der aktiven Politik zurückzuziehen – um weiteren Schaden „von seinem Lebenswerk und von seinen Nachfolgern“ abzuwenden. Indes beeilten sich die Parteistrategen aus München hinzuzufügen, Goppels Äußerung sei nicht als „Kursänderung“ zu verstehen. Die schwierige Situation der CDU wolle man nicht zusätzlich durch kluge Ratschläge belasten. Goppel habe eben „Ventilfunktion“ übernommen und versucht, die schlechte Stimmung an der Basis aufzufangen.
Die CDU-Abgeordneten Hermann Kues und Eckart von Klaeden verlangten von Kohl, sein Bundestagsmandat ruhen zu lassen. Fraktionsvize Kues sagte, Kohl habe „durch sein Verhalten selbst eine Distanz zur Fraktion geschaffen“. Klaeden meinte, die Fraktion müsse auf Kohl verzichten, und sagte „tumultartige Reaktionen“ im Bundestag bei Kohls etwaigem Erscheinen vorher.
Von Kohls Büro war zunächst keine Stellungnahme zu erhalten, ob er, wie vergangene Woche per Television angekündigt, an einer Rückkehr in die Plenarsitzungen des Bundestags festhält. Der Abgeordnete Kohl hat nach Angaben aus Parlamentskreisen seit Ende November weder an Fraktionssitzungen der Union noch an den Plenarsitzungen teilgenommen. Mehrfach musste er für sein Fernbleiben von den Debatten die vorgesehenen Strafen zahlen. Die CDU/CSU-Fraktion enthält sich offiziell jeden Kommentars. „Das Abgeordnetenmandat ist ein hohes Gut“, sagte gestern ein Sprecher. „Es steht uns nicht an, ihn aufzufordern, das niederzulegen oder das zu kommentieren.“
Dennoch: Der parteiinterne Unmut über Kohls Verhalten wächst. Selbst der bisher als Kohl-Anhänger geltende nordrhein-westfälische Landeschef Jürgen Rüttgers sagte: „Ich verstehe Helmut Kohl nicht mehr.“ Gegenüber dem Handelsblatt lehnte Rüttgers jedoch zivilrechtliche Schritte gegen Kohl ab. Ein solches Verfahren würde Jahre dauern. „So viel Zeit hat die Partei nicht.“
Je mehr Kohl zum Sündenbock wird, desto geschlossener und optimistischer präsentiert sich die CDU. „Die Zeit der reinen Selbstbeschäftigung ist vorbei“, meint denn auch Parteichef Schäuble.
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