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Zwei Monate Schonfrist für Schüssels ÖVP

Die christdemokratische Fraktion im Europaparlament will die Österreichische Volkspartei weder suspendieren noch ausschließen. Der Zusammenschluss von 37 Parteien will zunächst abwarten ■ Aus Brüssel Daniela Weingärtner

Aus dem ÖVP-Boykott der europäischen Christdemokratie ist die Luft raus, bevor die neue österreichische Regierung noch richtig zu arbeiten begonnen hat. Gestern früh setzten sich in Brüssel Vertreter der 37 Gruppierungen zusammen, die in der christdemokratisch-konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) zusammengeschlossen sind. Sie berieten über den Vorstoß der französischen und der wallonischen Christdemokraten, die Österreichische Volkspartei wegen ihrer Koalition mit Haiders FPÖ auszuschließen.

Laut Satzung müssen drei Parteien aus drei verschiedenen Nationalstaaten das Verfahren in Gang setzen. Tatsächlich stellten gestern die franzöische UDF, die italienische PPI, der Romano Prodi nahe steht, und die wallonische PSC den entsprechenden Antrag. Die Debatte verlief aber nach Auskunft von Teilnehmern in wesentlich ruhigeren Bahnen als das Treffen der EVP am Wochenende in Madrid. Dort hatten sich Befürworter und Gegner eines Ausschlusses bis tief in die Nacht miteinander gestritten.

Nun scheinen sich diejenigen durchgesetzt zu haben, die durch ein streng geregeltes Procedere die Wogen glätten wollen. Der CDU-Abgeordnete Hartmut Nassauer sagte nach Ende der Sitzung: „Wir Deutschen haben versucht, das Verfahren zu methodisieren. Das ist uns auch gelungen.“ Der EVP-Vorsitzende Wilfried Martens wird nun drei Vizepräsidenten benennen, die mit den österreichischen Kollegen Kontakt aufnehmen sollen. Am 22. März, beim Gipfel der christdemokratischen Partei- und Regierungschefs in Lissabon, sollen sie ihre Einschätzung der Situation in Wien vortragen.

Weder das Parteiprogramm der ÖVP noch das Regierungsprogramm der neuen Koalition bietet nach Einschätzung von Hartmut Nassauer einen Anhaltspunkt für einen möglichen Parteiausschluss. Seit der Gründung der EVP 1976 hat es erst einen Ausschluss gegeben. 1993 wurde ein Verfahren gegen die portugiesische CDS eingeleitet, die in öffentlichen Kampagnen gegen die Maastrichter Verträge zu Felde gezogen war. Der Antrag fand damals eine Mehrheit. Der heutige Fall ist nach Einschätzung des EVP-Vorsitzenden Martens aber nicht vergleichbar. Die österreichischen Christdemokraten hätten sich zu keiner Zeit europafeindlich geäußert.

In knapp zwei Monaten, am 6. April, wird der Parteivorstand über den Ausschlussantrag abstimmen. 190 EVP-Vertreter sind stimmberechtigt, mindestens 96 müssten dafür sein. Diese einfache Mehrheit dürfte nicht zustande kommen. Wahrscheinlicher ist, dass die Delegierten dem deutschen Vorschlag folgen und sich mit einer Resolution zufrieden geben. Sie würde eine Warnung an die neue österreichische Regierung enthalten, dass ihre europapolitischen Äußerungen auch in Zukunft von der Gesamtpartei kritisch beobachtet werden.

Der EVP-Vorsitzende Wilfried Martens, der mit der Auswahl der Beobachtungskommission erheblichen Einfluss auf das Verfahren hat, hat schon in der Vergangenheit gezeigt, dass er wenig Probleme mit Parteimitgliedern am äußersten rechten Rand hat. 1998 setzte er sich dafür ein, dass die Europaabgeordneten der Forza Italia des Medienmoguls Silvio Berlusconi bei der EVP unterschlüpfen durften.

Etwas mehr als eine Woche ist es her, da dachte die EVP-Abgeordnete und Präsidentin des Europaparlaments, Nicole Fontaine, laut über einen Ausschluss Österreichs aus der Europäischen Union nach. „Zu schweigen wäre feige“, sagte sie an die Adresse ihrer Parteifreunde gerichtet. Der Resolutionstext, den das Parlament mit großer Mehrheit drei Tage später verabschiedete, hörte sich bereits viel zahmer an. Darin wurden EU-Kommission und Ministerrat lediglich aufgefordert, das Handeln der künftigen Wiener Koaliton zu überwachen und auf Sanktionen gegen Österreich vorbereitet zu sein.

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