: Ebbe in der Portokasse
Wo die Hoffnung auf bessere Zeiten Platz nimmt: Angela Merkel auf Psycho-Reise zu ihrer Hamburger Partei-Basis ■ Von Peter Ahrens
Kommet alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken. Bei christlichen Demokraten ist es ab und zu ganz angebracht, die gute alte Bibel aus dem Regal zu holen. Hamburgs CDU-Mitglieder sind schon ziemlich beladen in diesen Wochen, Erquickung erhofften sie sich gestern abend von ihrer Generalsekräterin. Deshalb pilgerten gut 800 CDUler ins CCH, wo Angela Merkel Trost und Rat spenden sollte. Brennpunkt CDU heißt die Veranstaltung, und Merkel soll die Feuerwehrfrau spielen.
Wenn die Veranstaltung auch nicht unbedingt einem Gottesdienst gleicht, dann hat sie doch zumindest etwas von einer Therapiesitzung. Mit Merkel als Therapeutin. Von „Problemen besprechen und verarbeiten“ spricht sie, von „schmerzlichen Konflikten“, von den Enttäuschungen derer, die für Helmut Kohl in die Schlacht gezogen sind“. Von „Träumen, die sich erfüllt haben“, von „Kontroversen, die man ein Stück weit aushalten muss“, vom Geist der Gemeinschaft und Vertrauen, das ganze Vokabular aus dem Lexikon der Hobby-Psychologie.
„Die CDU braucht Ermutigung“, sagt der Landeschef Dirk Fischer, und Merkel tut ihr Bestes: „Auch nach der Bundestagswahl haben nur wenige einen Pfifferling auf uns verwettet, und wir konnten schnell wieder Fuß fassen.“ Schließlich lebe man in „einer schnelllebigen Zeit“.
Die Generalsekretärin sagt das, was die Basis hören will. Fischer nennt sie gar eine „Frau, die heute ein Leuchtfeuer in schwerer Zeit ist.“ Das ist eine, der alle im CCH applaudieren können, auch wenn der Beifall zuweilen spürbar dünn ausfällt. Zum Beispiel, wenn sie sagt „das Gebundensein an Recht und Gesetz gilt für einen Bundeskanzler noch viel mehr als für ein normales Parteimitglied“. Das Parteivolk ist dankbar, endlich jemand, der nicht nur auf ihm herumtritt und an den es glauben will. „Wir können uns doch nicht von allen fertig machen lassen“, sagt eine CDU-Frau in der Diskussion. Und ein anderer Christdemokrat beteuert: „Wir sind doch keine kriminelle Vereinigung.“
Auch wenn die Generalsekretärin warnt: „Durch den Austausch eines Kopfes wird das ganze Dilemma nicht gelöst“ – Erneuerung wollen sie fast alle, irgendeine, das spürt man, es soll nur nicht so weitergehen wie im Moment. Soll aufhören mit den täglich neuen Tiefschlägen. Ein CDU-Mann legt Merkel ans Herz: „Wenn Sie erneuern, vergessen Sie unseren Ole von Beust nicht.“ Und ein anderer fühlt sich dermaßen ermutigt, dass er richtig kreativ wird: „Wir können doch die zwei Millionen, die Kohl genommen hat, ihm zurückgeben, und er reicht die dann an die unbekannten Spender weiter. Das wäre doch echte Imagewerbung für uns.“
Eine Briefaktion an alle Mitglieder wird auch noch angeregt, doch da muss Angela Merkel abwinken: „Leider haben wir nicht genug Geld dafür.“
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