Pro und Contra zur deutschen Iranpolitik. Die Bundesregierung unterstützt Präsident Chatami; die Exilanten sind enttäuscht: Zweierlei Maß
Kürzlich hat Kanzler Schröder erneut den iranischen Präsidenten Chatami nach Deutschland eingeladen – trotz gravierendster Menschenrechtsverletzungen im Iran. Fast gleichzeitig wurden jedoch die Beziehungen zu Österreich eingefroren, da dort eine rechtspopulistische FPÖ mit an der Macht ist. Da zeigt sich eine gewisse Doppelmoral.
Bisher basierten die deutsch-iranischen Beziehungen auf Opportunismus und Schweigen. Und auch die neue Bundesregierung schweigt. Trotz brutalster Menschenrechtsverletzungen im Iran, trotz der staatlich organisierten Morde 1998 an Schriftstellern und Oppositionellen, trotz der brutalen Unterdrückung der Studentenbewegung im Sommer 1999.
Geschwiegen wurde lange, um das Leben des Hamburger Kaufmanns Hofer nicht zu gefährden. Doch ist die Geiselnahme jetzt ja beendet. Geschwiegen wurde aber auch, um Chatami zu unterstützen. Denn der, so meinen nicht nur viele deutsche Politiker, werde die Demokratisierung im Iran vorantreiben. Diese Politik ist falsch und illusorisch. Denn da auch Chatami das Unrechtssystem weder abschaffen noch in seinem Wesen in Frage stellen will, wird nur das gesamte Regime stabilisiert. Im Iran ist seit dem Amtsantritt Chatamis keine grundlegende Verbesserung der Menschenrechtssituation eingetreten; nach dem jüngsten UN-Bericht hat sie sich in manchen Bereichen sogar verschlechtert. Denn eine wirkliche Reform würde den Gottesstaat zerstören.
Wenn die Bundesregierung die Menschenrechte und Demokratisierung im Iran unterstützen will, soll sie erst einmal von der Universalität der Menschenrechte überzeugt sein, und zwar nicht nur rhetorisch. So muss etwa die Differenzierung in „islamische“ und „nicht islamische“ Staaten aufhören. Menschenrechte dürfen nicht nur für westliche Länder gelten, und das romantische „Verständnis“ für andere Kulturen sollte als das entlarvt werden, was es ist: die Beibehaltung des Status quo! Wenn zum Beispiel ein deutsches Theaterstück mit zwangsverschleierten Schauspielerinnen in Teheran aufgeführt wird, ist dies kein Fortschritt, sondern eher eine Kapitulation vor der herrschenden Staatskultur.
So undiplomatisch es auch klingen mag: Die Durchsetzung der Menschenrechte ist im Iran nur gegen den Willen des herrschenden Regimes zu verwirklichen. Dazu bedarf es aber mehr als Ermahnungen und der Intervention bei Einzelfällen. Notwendig ist die ständige Einmischung in die inneren Angelegenheiten Irans. Dazu gehören Forderungen wie die, die Zwangsverschleierung abzuschaffen, die Frauen gleichzustellen, Religion und Staat zu trennen, Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit einzuführen.
Die Bundesregierung kann sich jedoch zu solch radikalen Schritten nicht entschließen. Sie verweist darauf, dass Kontakte zentral seien und die iranische Opposition nicht allein gelassen werden dürfe. Als Beispiel dient dafür die letzte Frankfurter Buchmesse. In der Tat: Iranische Schriftsteller konnten dort ausstellen. Aber was war der Preis? Man hat klaglos hingenommen und damit akzeptiert, dass die Todes-Fatwa gegen Rushdie weiter besteht.
Rot-Grün ist allmählich dabei, die eigene Haltung aus der Oppositionszeit zu relativieren und die so genannte Kontinuität in den Vordergrund zu stellen. Bundesaußenminister Fischer sollte seine Erklärung vom September 1998 nicht vergessen, in der er zu Recht feststellte, dass die Politik des kritischen Dialogs nicht nur gescheitert sei, sie habe auch „eine Stärkung des Mullah-Regimes erwirkt“. Ein wesentlicher Bestandteil dieser Politik war aber die Leisetreterei, die auch leider bei der neuen Bundesregierung deutlich zu spüren ist. Hamid Nowzari
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