: Wer war derReißwolf des Dr. Kohl?
■ Die Akten im Kanzleramt zu den Parteispendenaffären sind lückenhafterals bisher bekannt. Noch kein Hinweis auf Urheber der Säuberungsaktion
Berlin (taz) – Im Kanzleramt fehlen weit mehr Unterlagen zu den laufenden Parteispendenaffären als bisher vermutet. Das berichtete Kanzleramtsminister Frank Steinmeier vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags. Nicht nur die Akten über die Privatisierung der Raffinerie Leuna seien lückenhaft. Auch zu den anderen Komplexen, bei denen der Verdacht besteht, dass Schmiergeld die Entscheidung der Regierung Kohl beeinflusst hat, gebe es keine vollständigen Unterlagen: zur Entscheidung über die Panzerlieferungen an Saudi-Arabien, die Verkäufe von Hubschraubern und Flugzeugen nach Kanada und Thailand und dem Verkauf der Eisenbahner-Wohnungen. Zur Frage „War es Schlamperei oder Absicht?“ sagte Steinmeier, bislang gebe es keine Beweise dafür, dass Akten vorsätzlich vernichtet wurden: „Die Lücken bringen einen aber zum Nachdenken.“ Es gebe keine Belege, dass Kohls Kanzleramtsminister Friedrich Bohl etwas vom Verschwinden der Ordner erfahren habe. Dennoch gehe er davon aus, dass der Chef des Amtes damals über diesen „äußerst beunruhigenden Vorgang“ informiert wurde. Bereits im Mai 1997 sei im Kanzleramt aktenkundig geworden, dass sechs Ordner mit Originalen verschwunden seien. Von diesen sechs Ordnern gebe es Kopien, die aber möglicherweise nicht komplett sind. Ein weiterer Ordner ist völlig unauffindbar. Seltsamerweise seien 1997 keine Mitarbeiter zum Fehlen der Akten befragt und keine Disziplinarverfahren eingeleitet worden. Steinmeier geht davon aus, dass noch viel mehr Akten zum Komplex Leuna fehlen. Da auch die Registraturkarte verschwunden sei, die den Bestand dokumentiere, könne man nicht sagen, wie viele Akten es ursprünglich gegeben habe. Im Finanzministerium gebe es immerhin 200 Meter Akten und im Archiv des Landes Sachsen-Anhalt sogar 800 Meter zu diesem Thema. Tina Stadlmayer
Tagesthema Seite 2
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