: Die schlaue Ratgeberin CSU sitzt im Glashaus
Edmund Stoiber und seine CSU haben in der CDU-Krise an Einfluss gewonnen. Leicht könnte sie selbst in den Skandal geraten: Waffenhändler Schreiber hatte die halbe CSU in seinem Kalender
Berlin (taz) – Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber gefällt sich in der Rolle des starken Mannes der Union. Am Mittwoch jettete er an die Spree, um der verstörten Schwesterpartei zu sagen, wo es langgeht. „Dies ist die Stunde der CSU“, stachelte er seine Gefolgsleute von der bayerischen Landesgruppe an: Sie müssten jetzt mehr Einfluss in der Fraktionsführung einfordern. Gnädig stimmte Stoiber zu, dass der Jungfuchs Friedrich Merz, CDU, Fraktionsvorsitzender werden darf.
Stoiber, der in sechs Jahren gerne als Kanzlerkandidat antreten würde, verdankt dem CDU-Spendenskandal unerwarteten Einfluss auf die Geschicke der Schwesterpartei. Doch der Ministerpräsident und seine CSU müssen befürchten, selbst in den Strudel hineingezogen zu werden. Die ganze Affäre ist bei Ermittlungen der Staatsanwaltschaft im bayerischen Augsburg ins Rollen gekommen. Vorgestern wurde bekannt, dass die rührigen Staatsanwälte ihre Ermittlungen auch in CSU-Gefilden ausweiten – gegen Max Strauß, den Junior von Franz Josef Strauß.
Mitte der 90er-Jahre soll der junge Strauß im Zusammenhang mit dem Verkauf der Raffinerie Leuna 400.000 Mark gewaschen haben. Die Summe soll von der Firma Delta des Lobbyisten Dieter Holzer nach Deutschland geflossen und, so das Justizministerium, „als Schmiergeld verwendet“ worden sein.
Die Augsburger Staatsanwälte ermitteln bereits seit 1995 gegen Strauß junior. Im Zusammenhang mit dem Verkauf von Panzern an Saudi-Arabien und Airbus-Flugzeugen nach Kanada soll er 5,2 Millionen Mark Provision erhalten und dem Finanzamt verschwiegen haben. Aus Unterlagen der Staatsanwaltschaft und des Finanzamtes Augsburg, die der taz vorliegen, ergibt sich, wie eng der Waffenhändler Schreiber mit Strauß junior zusammenarbeitete. Im Oktober 1995 stürmten die Ermittler frühmorgens Schreibers Villa in Kaufering westlich von München. Sie beschlagnahmten Schreibers Tischkalender mit Notizen wie „Maxwell 500“. Die Staatanwälte gehen davon aus, dass „Maxwell“ für „Max Strauß“ steht – und 500 für 500.000 Mark an Provisionen.
Auch Strauß’ Schwester, die bayerische Kultusministerin Monika Hohlmeier, soll Geld erhalten haben. „Der Papa“ FJS, wie sie ihn liebevoll nennen, war Aufsichtsratsvorsitzender der Airbus-Industries, als sein Duzfreund Schreiber den Deal mit Kanada einfädelte. Max Strauß, der in München als Anwalt arbeitetet, bestreitet alles: „Des können S’ gründlich vergessen“. Er habe mit dem Verkauf der Airbus-Flieger nach Kanada nichts zu tun gehabt: „Ich bin ein schlechter Verkäufer. Ich mache immer irgendwelche Fehler.“
Seltsamerweise befiel, just nachdem die Staatsanwälte eine Hausdurchsuchung bei ihm beantragt hatten, ein Virus die Festplatte seines Computers und löschte alle Daten. Auch Ludwig Huber, ehemaliger bayerischer Finanzminister und später im Aufsichtsrat der Rüstungsfirma MBB, war einmal mit Schreiber befreundet. Dann spannte ihm der ehemalige Teppichhändler seine Freundin Barbara aus. Heute ist sie Schreibers Frau und weicht im Gerichtssaal nicht von seiner Seite.
In den Aufzeichungen Schreibers taucht auch der Vermerk auf: „Wiesheu wg. Schüssel S100 T30 M 25 K 25“. Der amtierende bayrische Wirtschaftsminister Otto Wiesheu gehört zu den Duzfreunden des Waffenhändlers. Der Vermerk legt den Verdacht nahe, dass er Schreiber bei einem Rüstungsgeschäft mit Österreich behilflich war.
Im Kalender des Waffenhändlers stehen auch Klarnamen – zum Beispiel „Erich Riedl“. Riedl war CSU-Abgeordneter, später Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium. Auch er soll über Schreiber vom Rüstungskonzern Thyssen kassiert haben. In München erzählt man sich gerne eine Geschichte von 1995, als Strauß mitten in der Nacht in Riedls Haus stürzte: „Ihr habt doch 500.000 Mark von Thyssen bekommen. Beseitigt alles, es wird eine Hausdurchsuchung geben.“
Zwei Tage nachdem die Staatsanwaltschaft seinen Kalender konfizierte, setzte sich der Thyssen-Lobbyist Schreiber in die Schweiz ab und übersiedelte von dort aus nach Kanada. Die Staatsanwaltschaft stellte einen Haftbefehl wegen Steuerhinterziehung und Bestechung gegen ihn aus. In Schreibers festungsmäßig gesicherter Villa verkehrten früher nicht nur Abgesandte des saudischen Königshauses, Vertreter der kanadischen Regierung, Chefs der Firmen Thyssen, Airbus und MBB, sondern auch zahlreiche CSU-Größen. Heute wollen die meisten nichts mehr mit ihm zu tun haben. Seinem ehemaligen Freund Thomas Goppel, heute CSU-Generalsekretär, geht es auf die Nerven, dass Schreiber regelmäßig aus Kanada anruft. Goppel und Stoiber sollten sich gefälligst dafür einsetzen, dass das Verfahren gegen ihn eingestellt werde, verlangte Schreiber am Telefon.
Obwohl er solche Drohungen für völlig unangebracht hält, sagte der CSU-Generalsekretär in einer Talkshow, es sei „das Recht Schreibers“, sich in Kanada der Strafverfolgung zu entziehen. Schreiber fühlt sich indes von seinen alten Freunden im Stich gelassen. Er trat sogar aus der CSU aus und drohte, im Falle seiner Auslieferung nach Deutschland werde er auspacken: „In der CSU läuft es mit den Spenden genauso wie in der CDU“, verriet er in einem seiner zahlreichen Interviews. „Wenn ich auspacke, rollen die Köpfe“, tönte Schreiber.
Die Süddeutsche Zeitung zitiert aus einem Brief, den er 1997 an den Bundesnachrichtendienst (BND) schrieb: Der BND und die bayerische Staatsregierung würden eines Tages einen Skandal erleben, der „unermesslichen Schaden bescheren könnte.“ Die Zeitung vermutet, dass er auf Waffengeschäfte zu Gunsten der Contras in Nicaragua anspielt fragt: „Sollten die CSU oder der Freistaat damit zu tun haben?“
Tina Stadlmayer
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