: Trillerpfeifen fürs grüne Ministerohr
Außenminister Fischer wird zur Farbbeutel-Attacke auf sein Ohr vernommen. Kriegsgegner nutzen den Termin zu Protesten
Das Auswärtige Amt in Mitte soll heute gleich mehrfach Besuch bekommen: Kriegsgegner haben sich angekündigt, außerdem wird ein Richter des Amtsgerichts Bielefeld das Ministerium aufsuchen.
In der linken Szene wird dazu aufgerufen, den Neubau „mit einer ersten Kundgebung gegen den Krieg“ einzuweihen. Die Veranstalter sehen den Amtssitz von Außenminister Joseph Fischer (Grüne) als Ort, wo „eine radikale Kritik der Nach- und Vorkriegsgesellschaft hingehört“. Mit der für 11 Uhr bei der Polizei angemeldeten Protestaktion wollen sie ihre „grundsätzliche Opposition zu gesellschaftlichen Verhältnissen“ ausdrücken. Nur diese, heißt es in dem Aufruf weiter, hätten den Krieg gegen Jugoslawien ermöglicht und würden auch zukünftige Angriffe zulassen – „wenn nicht ein breiter außerparlamentarischer und entschlossener antimilitaristischer Widerstand Schranken setzt“.
Die Kundgebung in der Kurstraße richtet sich vor allem gegen Fischer „als Mitverantwortlichen für den Kosovo-Krieg“. Die Teilnehmer sind aufgerufen „Trillerpfeifen u.ä.“ mitzubringen, „um fette Staatskarossen lautstark zu begrüßen“. Denn der Außenminister wird heute sogar im Dienstgebäude weilen. Der Grund: Er wird als Zeuge zu dem Farbbeutelwurf auf sein Ohr beim Grünen-Parteitag im Mai letzten Jahres vernommen.
Ein 36-jähriger Berliner hatte dem grünen Politiker damals einen roten Farbbeutel an den Kopf geworfen und damit Fischers Trommelfell verletzt. Des Ministers Ohr war damit, so die Veranstalter der heutigen Protestaktion, „das erste deutsche Kriegsopfer an der Heimatfront“.
Dem Minister dürfte der Termin nicht so gelegen kommen. Er wollte mit dem Farbattentäter eine außergerichtliche Einigung erzielen: Sollte der Berliner die Arztrechnung begleichen und für die Kosovo-Hilfe spenden, wäre es gar nicht zu einem Verfahren gekommen. Aber der Kriegsgegner lehnte eine Wiedergutmachung des Schadens am Ministertrommelfell ab. Erst müsse Fischer die Menschen in Jugoslawien für die Kriegsfolgen entschädigen.
Dirk Hempel
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