piwik no script img

Brandenburger Tor bleibt bannfrei

Berlins Bürgermeister wollte die Parlaments-Bannmeile um das Tor ziehen.Rot-Grün lehnt das ab. Senat soll NPD-Demos schlauer verbieten ■ Von Isabelle Siemes

Berlin (taz) – Nach dem NPD-Marsch durch das Brandenburger Tor Ende Januar ist in Berlin der Streit darüber entbrannt, wie solche Demos künftig verhindert werden können. Die rot-grüne Bundesregierung hat gestern den Vorschlag des Berliner Bürgermeisters Eberhard Diepgen (CDU) abgelehnt, die Bannmeile des Bundestages kurzerhand auf das benachbarte Wahrzeichen Berlins auszuweiten. „Die Bannmeile ist dazu da, den Deutschen Bundestag zu schützen“, erklärte der innenpolitische Sprecher der SPD, Dieter Wiefelspütz.

Wiefelspütz spielte den Ball zurück. Es sei die Aufgabe der Berliner Innenverwaltung, „massiv verbotswürdige Demos“ zu verhindern. Da müssten allerdings „qualifizierte Menschen“ sitzen, watschte der SPDler die Berliner ab, denen es nicht gelungen war, den Naziaufmarsch vor das Tor juristisch zu stoppen.

Die NPD-Demo war mit volksverhetzenden Parolen durch das Tor gezogen und hatte den Holocaust geleugnet. Die Innenverwaltung hatte die Demonstration zwar verboten. Den Rechtsextremisten gelang es aber vor Gericht, den gespenstischen Marsch durchzusetzen. Die Begründung des Berliner Innensenators Eckart Werthebach (CDU), der Aufzug sei eine Ersatzveranstaltung für eine verbotene Demo durch Göttingen, hatte keinen juristischen Bestand.

Cem Özdemir, innenpolitischer Sprecher der Grünen, kommentierte, es sei nicht nur „schlampig gearbeitet“ worden, der Senat habe die „Entscheidung des Gerichts billigend in Kauf genommen“. Die CDU wolle sich so eine „ideologische Schlacht mit der Bundesregierung liefern“. Die Bannmeile, die jetzt „befriedeter Bezirk“ heißt, solle nach dem Willen von Rot-Grün eben nicht dazu dienen, Bürger aus zentralen Orten zu verbannen. „Klar. Man könnte sich überlegen, sogar bis Köpenick zu gehen und den Haupmann gleich noch mitzunehmen“, spottete Özdemir über den Unions-Vorstoß.

Nicht nur die Idee, mit der Bannmeile Demoprobleme zu lösen, sei „Unfug“, erklärte Dieter Wiefelspütz. Auch die Debatte um eine Einschränkung der Versammlungsfreiheit sei „inkompetent und abseitig“. Der Senat hatte vorgeschlagen, bestimmte Versammlungsplätze innerhalb der Hauptstadt einzurichten.

Dagegen spricht das Brokdorf-Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1985, wonach Demonstranten Ort und Zeit des Aufzugs frei wählen können. Bei einer Anhörung am Montag im Berliner Innenausschuss hatten Juristen bekräftigt, dies gelte nicht nur für die grüne Wiese, sondern auch – in Berlin.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen