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Kulturverwaltung erarbeitet Giftliste

■ SPD und CDU vertrösten auf Haushaltsberatung, während der Rasenmäher rattert

Carmen Emigholz will am Freitag während der Sitzung der Kulturdeputation das Vertrauen der Kulturszene in die Politik und Verwaltung wieder herstellen. Das hat die Sprecherin der Deputation und SPD-Kulturpolitikerin am Dienstagabend in der Bürgerschaft angekündigt. Doch die Tagesordnung wird ihr das mit dem Vertrauen schwer machen. Denn die Deputation wird am Freitag vor allem über eine Kürzung der Wettmittel für die Kultur reden.

Wie aus einer der taz vorliegenden Deputationsvorlage hervorgeht, rechnet die Kulturbehörde mit Wettmitteln in Höhe von rund 2,9 Millionen Mark zugunsten des Kulturbereichs. Davon soll eine Million Mark wegen des „Ausgleichskonzepts Haushalt 2000“ gekürzt werden. Das ist eine brisante Formulierung, die den Rechnungshof interessieren dürfte: Formal dürfen Wettmittel nur für zusätzliche Projekte und nicht für das Stopfen von Haushaltslöchern ausgegeben werden.

In der Kulturszene klaffen aber schon riesige Risse. Laut der ersten Seite der Vorlage haben Einrichtungen vom Kulturzentrum Schlachthof bis zur Stadtteilgeschichtswerkstatt Brodelpott rund 2,9 Millionen Mark beantragt. Das ist auf den ersten Blick keine große Differenz: Antragsteller mit jahrelanger Erfahrung mit der Bremer Kulturförderung wissen, dass sie nicht 100 Prozent, sondern oft nur ein Viertel oder die Hälfte des beantragten Geldes bekommen. Doch die für die Vorlage verantwortliche Kulturverwalterin Margrit Hohlfeld versteckt weitere 1,5 Millionen Mark beantragter Gelder im Kleingedruckten: Die Anträge der Kulturzentren Schlachthof, Westend und Lagerhaus sowie weitere Einrichtungen, die erhöhte Betriebs- und Personalkosten anmelden, „können wegen des engen Finanzrahmens nicht berücksichtigt werden“.

Die Deputierten sollen sich offenbar nicht näher mit diesen Anträgen zweiter Klasse beschäftigen. Im Beschlussvorschlag tauchen sie nämlich nicht auf. Doch auch in den in die Liste und den Bedarf aufgenommenen Projekten knattert der Rasenmäher. Während es sich bei manchen Vorhaben um die Kürzungen sehr hoch geschraubter Antragssummen handelt, stehen die Zeichen bei vielen anderen Einrichtungen auf radikales Sparen: Der Verein „Quartier“ hatte zum Beispiel in diesem Jahr Großes vor und wollte Kulturprojekte im Wert von 127.200 Mark veranstalten. Bekommen soll der Verein aber nur 30.000 Mark – 4.000 Mark weniger als 1999. Bei der Schulgeschichtlichen Sammlung sollen zwar nur 300 Mark aus den beantragten 7.300 Mark Projektmitteln gestrichen werden. Dafür werden dem charmanten Mini-Museum in Hastedt Haushaltsmittel in Höhe von 4.000 Mark (statt 17.500 nur noch 13.500 Mark) gekürzt. Noch mehr ans Eingemachte soll es nach dem Willen der Kulturverwaltung bei der Musikerinitiative „mib“ gehen: Statt 15.000 (oder der beantragten 25.000 Mark) soll es nur noch 5.000 Mark Wettmittel geben. Diese Liste ließe sich fortsetzen: Denn die Vorlage listet auf rund 20 Seiten Projekte auf.

Wegen dieser „Giftliste“ rumort es in der Kulturszene schon. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz der Kulturinitiative „Anstoß“ und des Kulturrats war sie gestern in Teilen bekannt. SprecherInnen beider Organisationen kündigten die Unterstützung der betroffenen Einrichtungen an. Auch in Sachen Kündigung des Vertrauensschutzes wollen Anstoß und der Kulturrat weiter Druck machen: Solange der Senat diese Kündigung nicht zurücknimmt und den Kulturetat nicht erhöht, wollen die Organisationen weiter Unterschriften gegen diese Entscheidung sammeln und protestieren.

Bei diesem Protest geht es nur noch vordergründig um die Kulturförderung, die in diesem und im nächsten Jahr jeweils um zehn Millionen Mark zu niedrig ist. Längst haben diese beiden „Bürgerinitiativen“ den Sanierungskurs der großen Koalition im Visier. Und es scheint Woche für Woche fraglicher, ob sich dieser Protest durch „Umbaufonds“ noch zum Schweigen bringen lässt. ck

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