: Wind wichtiger als Landwirtschaft
Windenergie erwirtschaftet teilweise mehr als der Agrarsektor
Husum (taz) – Schleswig-Holstein ist Windland. Bei knapp 1.000 Megawatt derzeitiger Leistung werden bereits 16 Prozent des landesweiten Strombedarfes aus Wind gedeckt. Die Windenergie hat sich im nördlichsten Bundesland auch zu einem wichtigen Wirtschaftszweig entwickelt: In einigen Regionen hat sie der traditionell starken Landwirtschaft als Einkommensquelle den Rang abgelaufen. Das haben übereinstimmend der Bundesverband Windenergie und das schleswig-holsteinische Ministerium für Finanzen und Energie errechnet.
So erlösen die Anlagenbetreiber in den windreichen Westküstenkreisen Nordfriesland und Dithmarschen, wo sich rund zwei Drittel der schleswig-holsteinischen Windräder drehen, allein 280 Millionen Mark jährlich aus dem eingespeisten Windstrom, erklärt der Bundesverband Windenergie (BWE). Landesweit liegt der Wert den Angaben zufolge bei 400 Millionen Mark.
Und dieses Geld fließt nicht in die Kassen der Stromkonzerne, sondern bleibt zu einem Großteil vor Ort, betont der BWE-Landesvorsitzende Hermann Albers, selbst Landwirt und Windmühlenbesitzer. Denn die Betreiber sind meist Privatleute und im Falle von Windparks Betreibergesellschaften, in denen Bauern und andere Bürger aus der Region das Sagen haben. Und in manch kleiner Kommune sind die Einzelanlagen und Windparks die kapitalkräftigsten Gewerbesteuerzahler.
Das gilt in ähnlicher Weise auch für die Hersteller und angegliederte Wirtschaftszweige vom Zulieferbetrieb bis zum Planungsbüro. Beispiel Husum: Der Windkraftanlagenbauer Vestas Deutschland, in Schleswig-Holstein Marktführer, gehört hier zu den größten Arbeitgebern (170 Arbeitsplätze) und Gewerbesteuerzahlern. Als die Vestas im vergangenen Jahr Deutschlands größten Windpark mit mehr als 60 Megawatt Leistung im brandenburgischen Klettwitz baute, sorgte das Auftragsvolumen von 165 Millionen Mark für einen warmen Geldregen in Husum.
Die Dynamik der Branche sei nur mit der der Informationstechnologie zu vergleichen, meint der bündnisgrüne Staatssekretär im schleswig-holsteinischen Ministerium für Finanzen und Energie, Wilfried Voigt. Auf zwei Milliarden Mark beziffert er die Investitionen aus der Windenergie im Land zwischen Nord- und Ostsee allein in den vergangenen Jahren seit 1994.
Und das Ende ist nach Überzeugung vieler Branchenkenner noch lange nicht erreicht. „Offshore-Technik“ heißt das Zauberwort der Zukunft. In Husum, auf dem Gelände einer in Konkurs gegangenen Werft, sollen jetzt neue, leistungsfähige Anlagen für Windparks auf hoher See konzipiert werden. Je einen in der Nordsee und Ostsee sieht die Landesplanung vor; auf 1.000 Megawatt schätzt Energieminister Claus Möller (SPD) das Offshore-Potenzial.
Aber Windkraftanlagen aus Schleswig-Holstein sollen nicht nur für das Land selbst, sondern für den Weltmarkt gebaut werden, meint Möllers Staatssekretär Voigt. Eine besondere Chance sieht er da für Küstenstandorte wie Husum. Von hier aus, so seine Vision, werden bald riesige Windturbinen per Schiff den Weg nach Übersee antreten. Heike Wells
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