: Nigerias Präsident gegen islamisches Recht
Scharia verfassungswidrig, sagt Obasanjo. Neue Unruhen befürchtet
Berlin (taz) – Nigerias Präsident Olusegun Obasanjo hat gestern die Ausbreitung des islamischen Rechts, der Scharia, in seinem Land verurteilt. Er reagierte damit auf die blutigen religiösen Unruhen der letzten Tage in der nordnigerianischen Stadt Kaduna.
„Jedes Gesetz muss kodifiziert sein“, sagte Präsident Obasanjo vor Journalisten in der Hauptstadt Abuja. „Die Scharia ist nicht kodifiziert. Man bezieht sich einfach auf den Koran und andere Bücher. Was soll das für ein Recht sein? Wenn man Leute steinigt oder ihnen die Hände abschneidet, bricht man die Verfassung Nigerias.“
Es war das erste Mal, dass Obasanjo zu dieser Frage klar Stellung bezog. Bislang hatte sich Obasanjo zurückgehalten, wenn konservative Regierungen nordnigerianischer Bundesstaaten die Einführung des islamischen Rechts einleiteten. Die Unruhen in Kaduna, die schwersten seiner neunmonatigen Amtszeit, haben den Baptisten Obasanjo jetzt aber zur Parteinahme gezwungen. Außerdem drohten in den letzten Tagen militante südnigerianische Organisationen mit Angriffen auf Muslime und Nordnigerianer, falls die Regierung sich nicht deutlich gegen die Scharia ausspreche.
Die Unruhen in Kaduna hatten am Montag begonnen, als bewaffnete Muslime eine christliche Großdemonstration gegen die Einführung der Scharia angriffen. In den darauf folgenden zwei Tagen wurden weite Teile der 800.000 Einwohner zählenden Stadt Kaduna zerstört und zehntausende von Menschen in die Flucht getrieben. Erst mit drakonischen Sicherheitsmaßnahmen, unter anderem einer ganztägigen Ausgangssperre, brachten Polizei und Armee die Lage wieder unter Kontrolle. Am Donnerstag verkürzte die Regierung des Bundesstaates Kaduna die Ausgangssperre wieder: Zwischen 7 und 16 Uhr dürfen die Bewohner Kadunas nun wieder auf die Straße gehen. Öffentliche Versammlungen bleiben jedoch weiter verboten, und gestern bereitete sich die Armee auf neue Gewalttaten nach dem muslimischen Freitagsgebet vor.
Wie viele Todesopfer die Unruhen gefordert haben, ist noch immer nicht bekannt. Shehu Sani, Leiter der Menschenrechtsorgansiation Bürgerrechtsrat (CRC) in Kaduna, sagte am Donnerstag, seine Organisation allein habe bereits mehr als 400 Tote gezählt. Unklar ist, ob hinter der Gewalt organisierte Milizen stehen. D.J.
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