: Wundersame Keimvermehrung zum Kotzen
■ Wenn Hackfleisch Beine kriegt, wird's ein Fall für die Lebensmittelüberwachung / In jedem vierten Fall werden die Kontrolleure fündig / Das Problem: Reißt die Kühlkette, vermehren sich die Krankheitserreger Explosions-artig – schneller als wie die Karnickel
Listeria monocytogenes, Salmonella typhimurium oder schlicht und einfach „Schmutzkeim“: So heißen die Verursacher von Erbrechen und ähnlichem Ungemach, nach denen die Mitarbeiter der amtlichen Lebensmittelüberwachung unter anderem fahnden. 5.084 Bremer Betriebe (Bremerhaven: 2.411) bekamen im vergangenen Jahr amtlichen Besuch von den Damen und Herren des „LMTVet“, den Lebensmittelüberwachungs-, Tierschutz- und Veterinärdiensten Bremens/Bremerhavens. In der Stadt Bremen wurden die Hygiene-Wächter, die auch Ratten und anderes Getier im Blick haben, in knapp einem Viertel aller Fälle fündig.
„Da gibt's so viele von“, stöhnte der stellvertretende Amtsleiter Peter Drewes angesichts des Artenreichtums und der Vermehrungsfreude von Salmonella & Co. ges-tern. Man stelle sich vor: Bricht die „Kühlkette“ an irgendeiner Stelle, dann wird das Hackfleisch lebendig. Die 10.000 Keime, die Drewes zufolge normalerweise in einem Gramm Hack zu finden sind, verdoppeln sich in 20 Minuten.
1999 überprüften die Mitarbeiter der Lebensmittelüberwachung unter anderem betriebliche Lieferfahrzeuge und Kühleinrichtungen in der Stadt Bremen. Das Ergebnis: Bei 74 inspizierten Geräten waren in 13 Fällen die Temperaturen zu hoch, in drei Fällen waren die Truhen zu voll; sieben schließlich entsprachen nicht den Sauberkeits-Standards.
In Sachen Lebensmittelhygiene liegt das Land Bremen laut Amtsleiter Dr. Eberhard Haunhorst durchaus im Bundesdurchschnitt. Die „Beanstandungsquote“ von über 50 Prozent in Bremerhaven erklärt er mit den hohen Hygieneanforderungen, die an EU-zugelassene Fischbetriebe gestellt werden. Bei der Präsentation des Jahresberichts des Amtes am Montag kündigte Senatorin Hilde Adolf (SPD) allerdings an, dass künftig weniger Proben genommen werden sollen.
Nicht nur Mikroben stehen auf der Fahndungsliste der Lebensmittelkontrolleure. Auch in Bremen reagierte man 1999 mit „intensiven Überwachungen“ auf die Nachrichten über dioxinbelastetes Fleisch aus Belgien: So wurden 34 Tonnen Schweinefleisch-Produkte aus dem Verkehr gezogen, um zurückgeschickt oder vernichtet zu werden. In Supermärkten wurden 560 Kilo möglicherweise Dioxin-belastete Lebensmittel gefunden. „Fisch statt Fleisch“, heißt da die Devise. Oder doch nicht? Im Herbst wurde in Bremerhaven eine Ladung quecksilberverseuchter Butterfisch aus Asien entdeckt.
Neben den Lebensmitteln hatten die insgesamt 110 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auch Produkte im Visier, die eher für die äußere Anwendung bestimmt sind: Kosmetik zum Beispiel. In dem Jahresbericht wird der Fall einer Bremer Firma aufgeführt, die bakteriell belastete Augencremes und Salben auf den Markt gebracht hatte und auch nach einem Verbot munter weiter produzierte. Zeigt die „Belehrung“ in einem solchen Fall keinen Erfolg, droht ein Bußgeld bis zu 100.000 Mark - wie 1999 insgesamt 71 Mal in der Stadt Bremen - oder die Zwangsschließung des Betriebes.
Das Amt mit der unaussprechlichen Abkürzung nimmt auch Hinweise aus der Bevölkerung entgegen: Bürgerinnen und Bürger, die ein verdorbenes Lebensmittel gekauft haben, können sich direkt an das „LMTVet“ wenden. Im Jahr 1999 taten das immerhin 150 - mit steigender Tendenz.
Im privaten Bereich angesiedelt war ein besonders krasser Fall von Tierquälerei, mit dem sich das Amt ebenfalls beschäftigte: Dabei handelte es sich um einen Affen, der von seinen Besitzern an eine Heizung gekettet und mit Pommes Frittes gefüttert worden war. hase
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen