Erste Röcke für die Hosen-Unis

■ Morgen stellen zwei Bremer Uni-Dozentinnen ihr druckfrisches Buch über die ersten Akademikerinnen Deutschlands vor

Eigentlich ist es Hauptprogrammpunkt der Bremer Hedwig Hintze-Gesellschaft jungen WissenschaftlerInnen bei ihrem langen Marsch durchs Studium finanziell unter die Arme zu greifen – durch Stipendium oder Publikationszuschuss. Weil aber die beiden Initiatorinnen und Vorsitzenden Eva Schöck-Quinteros und Elisabeth Dickmann sich für Frauenfragen interessieren, oder sollte man besser sagen: einsetzen, sind so ganz nebenbei einige Publikationen über weibliche Akademiker-Karrieren (und mehr noch: deren Fehlen) abgefallen und ein Kongress mit dem Titel „Barrieren und Karrieren. Die Anfänge des Frauenstudiums in Deutschland“. Dieser Kongress fand im Februar 1997 statt, aber erst jetzt konnte – unter dem gleichen Titel – die Dokumentation der Vorträge erscheinen.

390 Seiten die alten Ausgrenzungsgeschichten, uff. Ist das zu ertragen? Ein klares Ja. Zwar ergehen sich manche Referentinnen in Zahlenspielen, die nur für die Fachfrau prickelnd sind. Zum Beispiel über die für bayerische Verhältnisse fortschrittliche Würzburger Uni: 68 Studentinnen zwischen 1903 und 1914, darunter viele Professorentöchter, Protestantinnen 38 %, Katholikinnen 35 %, Jüdinnen 25 %, 60 % Medizin, 20 % Naturwissenschaft, 20 % Geisteswissenschaft ... Das ist aufschlussreich, auf Dauer aber zäääh.

Immer wieder spannend – und nach wie vor vorbildhaft – aber sind die Biografien jener Frauen, die sich durchgebissen haben durch eine feindliche Männerwelt. Zum Beispiel die Ärztin Hope Bridges Adams (1855-1916). Die Freundin von Clara Zetkin und August Bebel musste sich mit dem Status als Gasthörerin zufrieden geben. Schließlich wurden Frauen anders als in der aufgeschlosseneren Schweiz erst ab 1900 (Baden), 1903 (Bayern) und1908 (Preußen) immatrikuliert. Viele Umwege musste sie in Kauf nehmen um schließlich als dritte Frau in Deutschland praktizieren zu können: Die Promotion holte sie sich in Bern, die Approbation in Dublin. In ihrem 700 Seiten schweren „Frauenbuch“ entwickelte sie nicht nur moderne Vorstellungen über Abtreibung und Krankenhausentbindung (Anwesenheit des Vaters). Darüber hinaus verfocht sie mutige Lebensmodelle (Partnerschaft auf Zeit, Kindererziehung auch durch den Vater) und ein Emanzipationsverständnis, das noch heute von manchen Feministinnen nicht begriffen wird: dass die Befreiung der Frauen nicht möglich ist ohne die der Männer.

Auch bei der Historikerin Hedwig Hintze interessiert eben nicht nur ihre krumme Bildungsbiografie, sondern politisches Engagement und wissenschaftliche Leistungen: Sie lehnte eine nationalistische Generalverteufelung der Versailler Verträge ab und entwarf – sehr zum Ärger der Nazis – ein differenziertes, sympathiedurchdrungenes Bild der französischen Revolution. Dass die beiden Bremer Geschichtsdozentinnen Schöck-Quinteros und Dickmann ihre heute weitgehend unbekannte Vorgängerin als Namensgeberin für ihre Gesellschaft wählten, ist also keine Ungeschicklichkeit, sondern Programm: ein Bekenntnis zur Rückeroberung wenigstens jener wenigen Lichtgestalten, die die Frauenwelt in früheren Jahrhunderten hat. Mehr über Hedwig Hintze, die Hürden einer Unikarriere, die brutalen Exiljahre, den Selbstmord, verrät sicher die Lesung. bk

Stadtbibliothek Neustadt, 7. März, 19 h. Buchpreis 49.90 Mark

Ausstellung zum gleichen Thema: „Steinerne Wege“ im Rathaus Weyhe. Eröffnung am 8.3., 19.30 h