: Vom Risikofaktor zum Darling der Anleger
Siemens hat den Computerchip-Bereich unter dem Namen Infineon ausgegliedert, weil er nicht genug Gewinn brachte. Trotzdem stehen die Zukunftschancen nicht schlecht, denn Infineon ist wendig und die Branche boomt
BERLIN taz ■ Aktien kaufen ist heutzutage wie eine Wette ohne Risiko: Wer das Glück hatte, Infineon-Aktien zugeteilt zu bekommen, gewinnt etwa 100 Prozent seines Einsatzes, und der Rest erhält sein Geld zurück. Für die paar Altmodischen, die länger als ein, zwei Tage anlegen wollen, stellt sich aber vielleicht doch die Frage, ob die Firma langfristig Chancen hat, die angesichts des fulminanten Anfangskurses hohen Erwartungen zu erfüllen.
Denn die Ausgangsposition ist eigentlich bescheiden: Der Elektroriese Siemens AG hat versucht, seinen Computerchip-Bereich zu einem Weltmarktführer zu machen. Denn wie die US-amerikanischen Vorbilder à la General Electric will Siemens künftig nur noch aus Unternehmensteilen bestehen, die weltweit in ihrem Bereich Spitze sind. Alles andere will Siemens loswerden.
Die Computerchip-Sparte von Siemens ist international aber nur zweite Reihe. Mit einem Weltmarktanteil von etwa drei Prozent liegt sie klar hinter dem Marktführer Intel (knapp 17 Prozent nach Umsatz), NEC aus Japan (sechs Prozent) oder Motorola (gut fünf Prozent). In den vergangenen Jahren haben die Siemens-Chips teilweise satte Gewinne, teilweise hohe Verluste eingefahren; im Geschäftsjahr 1997/98 zum Beispiel das Rekordminus von 1,2 Milliarden Mark vor Steuern.
Folglich beschloss Siemens, den Bereich zumindest teilweise loszuschlagen. Dem „Unternehmensbereich Halbleiter“ (Computerchips) wurde der Name Infineon Technologies AG verpasst, abgeleitet von englisch „infinity“ (Unendlichkeit) und griechisch „aion“ (Leben, Unendlichkeit). In einer ersten Rate wurden nun rund 27 Prozent an die Börse gebracht.
Der vom Umsatz her und mit damals über 25.000 Mitarbeitern achtgrößte Siemens-Bereich wurde somit faktisch aufgegeben. Das ist erst einmal keine Empfehlung für die langfristigen Anleger. Denn Siemens hat es mit äußerst breit gefächerter Konkurrenz zu tun: mit dem High-Tech-Land USA ebenso wie mit Billigproduzenten wie Südkorea.
Der Aktienkurs wie auch die Zukunft der Firma Infineon allerdings sind durchaus offen. Denn die Konkurrenz im Bereich der Chiphersteller mag zwar hart sein, aber andererseits boomt der Markt. Derzeit können beispielsweise die Hersteller der kleinen Rechenkäfer für Handys, Autos oder Personal Computer kaum die Nachfrage befriedigen.
Außerdem müssen sich die Manager von Infineon nicht mehr wegen jeder Tagesentscheidung mit dem Siemens-Vorstand abstimmen. Der 41-jährige Vorstandschef Ulrich Schumacher muss sich nur noch für die große Linie das Okay aus dem Siemens-bestimmten Aufsichtsrat holen.
Diese neue Wendigkeit ist beim gespaltenen Geschäft der Firma auch von Nöten. Den größten Teil seines Umsatzes macht Infineon mit so genannten anwendungsspezifischen Bauteilen. Das sind speziell für einen bestimmten Kunden konstruierte Bauteile wie Chipkarten – mit nicht so hohem Verkaufsrisiko, aber auch begrenzten Gewinnmargen. Das zweite Standbein Speicherchips hingegen ist unsicher: in einem Jahr Renditen von 100 Prozent, im nächsten Jahr stürzen die Preise ab. In den mageren Jahren verdienen, wenn überhaupt, nur noch die billigsten Produzenten.
Oberste Priorität von Vorstandschef Schumacher ist daher die Steigerung der Produktivität und das Drücken der Kosten. Das ist ihm im letzten Jahr gut gelungen. Siemens kann sich auch freuen: Allein durch die gestrige Börsentranche kamen 6,07 Milliarden Mark in die Kassen. So viel Profit hat dieser Bereich sein Lebtag nicht erwirtschaftet.
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