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Veraltete Wirkstoffe in sinnlosen Kombinationen

Für ihr neues „Handbuch Medikamente“ untersuchte die Stiftung Warentest die 5.000 meistverschriebenen Arzneimittel Deutschlands – und kam zu einem bitteren Ergebnis. Ein Viertel ist nicht empfehlenswert, bei manchen Krankheiten wirkt kein einziges Mittel so gut, wie es eigentlich sollte

BERLIN taz ■ Ein Viertel der in Deutschland am häufigsten verschriebenen Medikamente helfen nicht. Zu dieser harten Diagnose kommt die Stiftung Warentest, die 5.000 verschreibungspflichtige Arzneimittel untersuchte. In Berlin stellte sie gestern das Ergebnis vor: das „Handbuch Medikamente“.

Der Hintergrund: Seit 1978 müssen laut Arzneimittelgesetz neue Medikamente einer strengeren Prüfung beim zuständigen Bundesinstitut unterzogen werden. Bei der Hälfte der 45.000 Arzneien ist das noch nicht geschehen. Viele Altpräparate dümpeln in Nachzulassungsverfahren vor sich hin. Ihre Wirksamkeit: nicht nachgewiesen.

Der Arzneimittelmarkt sei unüberschaubar, findet Hubertus Primus, Publikationschef der Stiftung Warentest. Die jetzt vorgestellte „Positivliste“ der deutschen Cheftester soll ein Wegweiser durch den Medikamentenwald sein.

Anhand medizinischer Studien durchforstete das Testgremium Wirkstoffe und ihre Kombinationen. Das Ergebnis ist so bitter wie manche Medizin: Veraltete oder fragwürdige Wirkstoffe in oft sinnlosen Kombinationen finden sich in vielen Tuben und unter so mancher Pillenglasur.

Bei Venenleiden oder Ohrenentzündungen, berichtet Primus, fand sich fast kein einziges wirksames Präparat. Die meisten Hustenlöser zeigten bestenfalls geringe Wirkung. Einige lang wirksame Schlafmittel führten zu Katererscheinungen, die für alte Menschen riskant seien. Und auch Marktführer wie Deutschlands meistverkauftes Schmerzmittel Thomapyrin blamierten sich vor den Testern, weil „Einzelsubstanzen“ dem Kombipräparat „vorzuziehen“ seien.

Kein Wunder also, dass der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie keine Jubelarien anstimmt. Der Hauptgeschäftsführer des Verbands, Hans Sendler, kritisierte denn auch die „ungeschickte Einmischung“, die die Patienten nur verunsichern würde. Die Industrie befürchtet eine Zerrüttung des „Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient“.

Bei der Stiftung Warentest glaubt man dagegen, einen gerade in Ärztekreisen gern gesehehen Ratgeber geschaffen zu haben. Auf Patientenseite, konkretisiert Gutachter Gerd Glaeske von der Uni Bremen, solle das geleistet werden, was unverständliche Waschzettel selten tun: die Wirkung erläutern und gezielte Nachfragen beim Doktor oder in der Apotheke erleichtern.

Eine Positivliste, also eine Aufzählung für gut befundener Medikamente, wie sie das Bundesgesundheitsministerium gerade erstellt, solle das Buch nicht ersetzen. Im Gegenteil sei die offizielle Liste unerlässlich: „Die Politik wäre gut beraten, diese Liste jetzt endlich zu bringen“, fordert Gutachter Glaeske, auch wenn sie „nur die Qualität steigert und keine Einsparungen bringt“.

GUNNAR MERGNER

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