: Erneut Baustopp für Emssperrwerk?
■ Die Umweltverbände befürchten unwiederbringliche Schäden für ein europäisches Vogelschutzgebiet bei einem Weiterbau
Gandersum – Was den aktuellen Sturmfluten nicht gelang, das droht dem Emssperrwerk bei Gandersum jetzt wieder einmal – per Gericht. Die Umweltverbände BUND, NABU, unterstützt vom WWF und jetzt auch der Landesverband der Bürgerinitiativen (LBU) haben beim Oberverwaltungsgericht Lüneburg eine Zwischenverfügung beantragt, wonach bestimmte Bauarbeiten gestoppt, beziehungsweise nicht ausgeführt werden sollen.
Gemäß den Anträgen der Umweltverbände ist davon die Aufspülung des Deichvorlandes auf der Südseite der Ems im Nendorper Deichvorland betroffen. Außerdem möchten die Verbände den Beginn der Betonarbeiten für die Stützpfeiler des Sperr- und Stauwerkes verhindern. „Die Eingriffe in die Natur sind bis jetzt noch als geringfügig zu bezeichnen. Wenn wir jetzt nicht handeln, sind die Schäden an der Natur nicht mehr rückgängig zu machen“, argumentiert Joachim Musch, Rechtsanwalt des LBU.
Zur Zeit ist vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg ein Beschwerdeverfahren der Verbände gegen den Bau des Sperrwerkes anhängig. Die Bauarbeiten an der Emssperre gehen aber weiter. „Würden, wie geplant, die Vordeichflächen aufgespült, dann werden europäische Vogelschutzgebiete zerstört“, so Rechtsanwalt Musch. Dies sind vornehmlich Salzwiesen im Brackwasserbereich. Sie dienen Zugvögeln als besonders nahrhafte Weide. „Hier fressen sich Nonnengänse Kraftreserven für ihren Langstreckenflug zurück in die Arktis an“, so Musch. Die Vordeiche seien ausgewiesene Brutflächen für Säbelschnäpler. Außerdem, so Musch, stehe dem Projektträger des Baues, dem Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserbau und Küstenschutz (NLWK), nicht die vom Planfeststellungsbeschluss vorgeschriebenen Ausgleichsflächenzur Verfügung. „Die haben sich zwar Flächen ausgeguckt, diese befinden sich aber im Süsswasserbereich, etwa 15 Kilometer von der Baustelle entfernt“, und würden, so die Argumente des LBU-Anwaltes, nicht von den Vögeln genutzt werden können.
„Ich halte die Argumentation des LBU für Unsinn“, kontert dagegen Dietmar Starke, Projektleiter des Sperrwerkbaues. „Durch Beton entstehen keine irreversiblen Schäden. Schließlich werden auch Atomkraftwerke zurückgebaut. Wir müssen bauen, um den Zeitplan einzuhalten“, meint der Projektleiter. Nach seinem Plan soll in den nächsten Tagen mit der Vorbereitung der Aufspülung der Vordeichflächen bei Nendorp begonnen werden. In knapp zwei Wochen folgen dann die ersten Betonarbeiten.
Eine Zwischenverordnung kann das Gericht jeden Tag erlassen. Im gesamten Beschwerdeverfahren wird eine Entscheidung nicht in den nächsten sechs Wochen erwartet. „Wir haben noch keine Aufforderung des Gerichts erhalten, unsere Stellungnahme zu der Beschwerde abzugeben“, sagt Herma Heyken, Sprecherin der Bezirksregierung Weser-Ems.
Vor einem halben Jahr hatte das Verwaltungsgericht Oldenburg einen ein Jahre dauernden Baustopp aufgehoben. Dagegen hatten die Verbände vor dem OVG Lüneburg Beschwerde eingelegt. Nach Meinung der Verbände dient das Sperrwerk nur der Papenburger Meyer-Werft, um große Luxusliner von Papenburg durch die Ems ins Meer zu bugsieren. Der aktuelle Neubau der Werft wird 2002 einen Emsstau benötigen. Bis dahin wird die Sperre voraussichtlich nicht fertig sein. Durch diesen Bau würde die gesamte Ökologie der Emsmündung zerstört, meinen BUND,NABU, WWF und LBU.
Thomas Schumacher
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