: Kreuzberg verzockt Rathaus
Der grüne Bezirksbürgermeister setzt auf Adler und verliert gegen seinen Friedrichshainer Kollegen. Das gemeinsame Rathaus der beiden Bezirke wird an der Frankfurter Allee stehen
Adler oder Zahl? Durch das Werfen eines Fünfmarkstücks pflegte bislang nur die Einzelverordnete der Spaßpartei KPD/RZ im Kreuzberger Bezirksamt Politik zu machen. Wenn der Adler oben lag, stimmte die Frau gegen den Antrag. Lag die Zahl oben, erhob sie die Hand dafür.
Den Stil, die Politik dem Zufall zu überlassen, haben nun ausgerechnet die Bürgermeister von Kreuzberg und Friedrichshain, Franz Schulz (Bündnis 90/Grüne) und Helios Mendiburu (SPD) kopiert. Eine Münze entschied am Dienstag, dass das gemeinsame Rathaus nach der Bezirksfusion an der Frankfurter Allee 35–37 in Friedrichshain stehen wird.
Vorausgegangen war ein anderthalbjähriges Ringen um den Standort des künftigen Verwaltungssutzes. Sämtliche Vor- und Nachteile wurden ausgelotet, eingehende Untersuchungen über Kosten und Verkehrsanbindung angestellt. Das Ergebnis fasste Kreuzbergs Bezirksbürgermeister Schulz so zusammen: „Die Standorte der Rathäuser von Kreuzberg und Friedrichhain waren gleichwertig. Wir hatten eine Pattsituation.“ Auch dass das Friedrichshainer Rathaus jährlich 5,6 Millionen Mark Miete kostet, ließ die Waagschale nicht zu Gunsten Kreuzbergs ausschlagen. Der Grund: Bis 2006 muss die Miete, für die sämtliche Bezirke aufkommen, ohnehin weiter bezahlt werden. Das Kreuzberger Rathaus in der Yorckstraße gehört dem Land Berlin.
Um das Tauziehen nicht zu verlängern und eine Kampfanstimmung zu vermeiden, kam der Friedrichhainer Bürgermeister Mendiburu auf die Idee, ein Fünfmarkstück entscheiden zu lassen. Schulz stimmte zu, wählte den Adler und verlor.
Auch wenn der Kreuzberger Bezirksbürgermeister gestern traurig über den Ausgang war – „die andere Seite wäre es auch gewesen“ –, verteidigte er den Schritt: „Die Münze war die einzige Möglichkeit, zu einer Lösung zu kommen, ohne dass zwischen Ost und West tiefe Wunden geschlagen wurden.“ Bei jeder anderen Art der Entscheidung hätte die unterlegene Seite bestimmt behauptet, von der anderen überrollt worden zu sein, ist sich Schulz sicher. „So standen die Chancen 50 zu 50.“ Die Entscheidung bezieht sich nur auf den Sitz des Bezirksamtes. Schulz geht aber davon aus, dass die Bezirksverordnetenversammlung zum Ausgleich künftig in Kreuzberg tagen wird und dort auch die Büros der Fraktionen sein werden.
Der Kreuzberger SPD-Fraktionsvorsitzende Helmut Borchardt zeigte sich gestern entsetzt über die unpolitische Methode. Nach Auffassung des CDU-Fraktionschefs Dieter Dummin hätten die Bezirksverordnetenversammlungen vorher wenigstens noch einmal konsultiert werden müssen. „Stattdessen wird so eine wichtige politische Entscheidung einer Münze überlassen.“
Aus Kreisen der Kreuzberger Verwaltung, deren Mitarbeiter demnächst längere Fahrzeiten in Kauf nehmen müssen, wird Schulz „blinder Aktionismus“ vorgeworfen. Sogar von einer „feindlichen Übernahme“ und „Auslieferung“ Kreuzbergs an Friedrichshain ist die Rede.
Im Vergleich dazu geht es in den anderen Bezirken sehr gesittet zu. Die drei fusionierenden Bezirke Mitte, Tiergarten und Wedding haben sich am Dienstag auf einen Kompromiss geeinigt. Danach soll der Großbezirk von Tiergarten aus verwaltet werden. Als Sitz der BVV hat das Gremium mit den Stimmen von CDU, PDS und Bündnisgrünen das Neue Stadthaus in Mitte empfohlen. Die SPD Wedding lehnt dies allerdings ab. Sie findet, dass der Wedding auf diese Weise „abgewickelt“ werde. Die BVV des Großbezirkes aus Pankow, Prenzlauer Berg und Weißensee wird im Rathaus Prenzlauer Berg sitzen, das Bezirksamt im Pankower Rathaus residieren. Wilmersdorf und Charlottenburg haben sich einvernehmlich geeinigt, dass die BVV ihren Standort im Wilmersdorfer, das Bezirksamt seinen im Charlottenburger Rathaus haben wird. PLUTONIA PLARRE
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