: Streetball statt Wasserschlacht
Mit einem kulturellen Angebot will die Polizei den Kulturkampf um den 1. Mai in Kreuzberg und Prenzlauer Berg gewinnen. Zwar haben die Toten Hosen abgesagt, doch Polizeischutzdirektor Piestert setzt auf Konzerte und Turniere
von PLUTONIA PLARRE
Die Polizei will mit einem kulturellen Gegenkonzept den linksradikalen 1. Mai in Kreuzberg und Prenzlauer Berg unterwandern. Mit Sportveranstaltungen und Konzerten, so das Einsatzkonzept, soll verhindert werden, dass der 1. Mai in diesem Jahr zum 14. Mal in Folge in das übliche Straßenkampfszenario ausartet.
Die Angebote reichen von Street- und Fußballturnieren, bei denen sich die randalehungrigen Kids mit den eigens für diese Veranstaltungen abkommandierten „Bullen“ einmal anders messen können als mit Steinen und Schlagstöcken. Im Mauerpark an der Bernauer Straße wird es zudem ein Festival mit einer Fun-Meile und einem Rockkonzert geben. Der Versuch der Polizei allerdings, die Toten Hosen nach Berlin zu holen, ist an einer Absage der Manager der Punkband gescheitert.
„Das quälende Gewaltritual am 1. Mai muss endlich durchbrochen werden“, sagte Landesschutzpolizeidirektor Gernot Piestert, der das Konzept gestern der Öffentlichkeit vorstellte. Vorallem die jugendlichen Mitläufer habe man mit der Offensive im Visier, nicht die „gewaltbereiten Autonomen“, deren Absichten man nicht ändern könne.
Bereits im vergangenen Jahr hatte die Polizei am 1. Mai unter dem Motto AHA (Aufmerksamkeit, Hilfe, Appelle) verstärkt auf Kommunikation statt auf Konfrontation gesetzt, war damit aber kläglich gescheitert. Nicht zuletzt an den eigenen Mannen in Kampfmontur, die die zur Deeskalation eingesetzen AHA-Beamten als „Warmduscher“ und „Safttrinker“ beschimpft hatten.
Man habe sich aber nicht entmutigen lassen, sondern im Gegenteil das Engagement verdoppelt, sagte Piestert gestern. Die Gruppenleiter der geschlossenen Einheiten seien in den vergangenen Wochen verstärkt in das Deeskalationskonzept eingewiesen worden. „Es wird in ziemlicher Breite von den Mitarbeitern mitgetragen“, gab sich der Chef der Schutzpolizei überzeugt.
Nach Angaben von Polizeioberrat Uwe Sieber, der die AHA-Arbeitsgruppe leitet, werden rund um den 1.Mai allein 140 Beamte und Beamtinnen in Sachen Öffentlichkeitsarbeit unterwegs sein, 50 davon mit einem „speziellen konfliktreduzierenden Auftrag“. Zu dem kritischen Zeitpunkt zwischen Dämmerung und Dunkelheit, an dem die Randale am 1. Mai in den vergangenen Jahren meistens losging, hat die Polizei „etwas Besonders vor, um die Situation zu entschärfen“, sagte Piestert. Er ließ aber keine Zweifel daran, dass „die Beamten ihre Arbeit machen werden, wenn es wirklich losgeht“.
Die Party am 30. April im Mauerpark, zu der bis zu 10.000 Leute erwartet werden, beginnt um 15 Uhr und soll bis 2 Uhr nachts gehen. Am Nachmittag des 30. April kicken Jugendliche und junge Erwachsene im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark in Prenzlauer Berg bei einem Kleinfeldfußballturnier unter anderen auch gegen eine Polizeitruppe. 20 Mannschaften haben sich nach Angaben von Polizeirat Christian Matzdorf zu dem Turnier angemeldet. Nicht ohne Stolz verweist Matzdorf darauf, dass die Polizei 66 Jugendclubs in der Direktion 7 (Prenzlauer Berg, Marzahn, Hohenschönhausen, Hellersdorf, Weißensee) aufgesucht habe, um für das AHA-Programm zu werben.
In Kreuzberg, wo für den Nachmittag und den frühen Abend des 1. Mai zwei revolutionäre 1.-Mai-Demonstrationen angemeldet sind, findet die 1. Kreuzberger Sportmeile statt. 25 Polizisten in Trainingsanzügen und 25 Mitarbeiter des Vereins für Sport und Jugendsozialarbeit wollen die Kids zum sportlichen Wettkampf in fast allen Disziplinen herausfordern. Veranstaltungsort ist allerdings die Bergmannstraße. In die unmittelbare Nähe des in SO 36 stattfindenden Demonstrationsgeschehens hat sich die Polizei mit dem Sportfest nicht getraut. „Eigentlich wären wir lieber zum Görlitzer Park gegangen“, gab Piestert zu.
Neben den revolutionären 1.-Mai-Demonstrationen bereitet der Polizei insbesondere die in Hellersdorf angemeldete NPD-Demonstration Kopfzerbrechen, zumal dort auch eine Gegenkundgebung angemeldet wurde. Nach Angaben von Piestert werden an diesem Tag in Berlin zwischen 3.500 und 5.000 Beamte im Einsatz sein. „Ich nehme alles, was ich kriegen kann “, sagte er mit Hinweis auf die vom BGS und aus dem übrigen Bundesgebiet zugesagte Unterstützung.
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