CDU: Eichel soll mehr Geld ausgeben

Doch der Finanzminister will mit den erwarteten 100 Milliarden Mark aus der Versteigerung der Handy-Lizenzen Staatsschulden abbauen

von HANNES KOCH

Neue Situation: Der Staat ist reich. Es gibt jede Menge Geld zu verteilen – eigentlich. Wenn allerdings SPD-Finanzminister Hans Eichel auf die zu erwartende, zusätzliche Einnahme von rund 100 Milliarden Mark angesprochen wird, erweckt er einen betont freudlosen Eindruck.

Nein, an Spekulationen über die Summe wolle er sich nicht beteiligen, sagt der Finanzminister. Und über die Verwendung des Geldes werde erst recht nicht diskutiert, blockt Eichels Sprecherin Maria Heider ab: „Damit werden Schulden bezahlt.“ Die Chancen stehen gut, dass die 100 Milliarden tatsächlich komplett im schwarzen Loch der Staatsschulden verschwinden, das sämtliche Bundesregierungen seit den Sechzigerjahren gegraben haben.

Gestern endete die Bewerbungsfrist für eine Versteigerung, die die gigantische Summe im Sommer in die Bundeskasse spülen soll. Die großen Telekom-Konzerne – unter anderem Mannesmann/Vodafone, Deutsche Telekom AG und Debitel – stehen Schlange, um eine der begehrten sechs Lizenzen für neue Handy-Netze zu ersteigern. Branchenkenner erwarten, dass jede Firma mehr als 15 Milliarden Mark zahlt, um die KundInnen bald mittels der ultraschnellen UMTS-Mobilfunk-Technik in die Handy-Netze und ins Internet zu befördern.

Die Versteigerung in Großbritannien ist bereits gelaufen: Weil die Firmen gegenseitig die Preise hochtrieben, kann sich die Regierung Blair über 75 Milliarden Mark freuen. Da der deutsche Markt um ein Drittel größer ist als der britische, rechnen Branchenexperten hier mit noch höheren Einnahmen: mit mehr als 15 Milliarden Mark pro Lizenz, also rund 100 Milliarden Mark.

Diese schönen Aussichten rütteln das politische Koordinatensystem der CDU durcheinander. Im Bestreben, sich von der Regierung abzusetzen, fordert der Vorsitzende der christdemokratischen „Arbeitsgruppe Haushalt“, Dietrich Austermann, ein staatliches Investitionsprogramm. „Man muss etwas für die Beschäftigung tun“, sagt er mit Verweis auf die vier Millionen Arbeitslosen.

Minister Eichel werde durch Privatisierungen wie jener der Deutschen Post außerdem weit mehr Geld einnehmen als die 100 Milliarden Mark aus dem Mobilfunk, schätzt Austermann – und ist entsprechend großzügig: Mit neun Milliarden Mark will er den „Modernisierungsstau bei der Bundeswehr“ auflösen. Sprich: Panzer reparieren und neue Waffen kaufen. 15 Milliarden Mark plant er für „Infrastruktur“ ein, zum Beispiel für den Straßenbau. Mit weiteren zwei Milliarden Mark möchte der CDU-Politiker die Transrapid-Strecke Hamburg-Berlin doch noch durchsetzen. Und fünf Milliarden sollen in die Entschädigung von NS-Zwangsarbeitern fließen.

Zu den eher traditionellen CDU-Forderungen gehört die Senkung der Einkommenssteuer für Gutverdienende auf unter 40 Prozent des Bruttogehaltes, für die die CDU 25 Milliarden Mark reservieren will. Dadurch würden Betriebe in die Lage versetzt, zu „investieren und neue Arbeitsplätze einzurichten“, so Austermann.

Die CDU-Vorschläge würden für Finanzminister Hans Eichel darauf hinauslaufen, dass er in den kommenden Jahren weniger Geld zur Verfügung hätte. Denn Eichels Gegenrechnung sieht so aus: Mit den 100 Milliarden Mark kann man die alten Bundesschulden reduzieren (insgesamt 1,5 Billionen Mark) und daurch ab 2001 jährlich rund sieben Milliarden Mark Zinszahlungen sparen. Dieses Geld steht dann im Bundeshaushalt für neue Aufgaben zur Verfügung. Das versteht Eichel unter „Konsolidierung“. Der grüne Haushaltsexperte Oswald Metzger unterstützt den Finanzminister dabei voll und ganz.

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