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Generäle von übermorgen

Die Bundeswehr wird in diesem Jahr 45. Eine kleine Reihe über unsere Armee. Teil 2: Die schwule Schwadron marschiert unaufhaltsam der Zukunft entgegen

Ein leises Zischen. „Wollen Sie auch eins?“ Lässig, nur mit einer Hand, hat Markus Mandel eine Bierdose geöffnet. „Echt nicht? Na gut . . .“ Gierig schüttet sich der junge Soldat das Pils in den Hals.

Wie hunderte andere Bundeswehrsoldaten auch, wird Markus Mandel das Wochenende in seiner Heimatstadt verbringen. Ein Umstand unterscheidet den blonden jungen Mann jedoch von seinen Kameraden: In wenigen Stunden wird er nicht seine Freundin in die Arme schließen, sondern seinen Freund. Markus Mandel ist homosexuell.

Schwul und beim Bund – ist das nicht schwierig? Mandel schüttelt den Kopf. „Überhaupt nicht“, sagt er und rülpst. „Auch ein schwuler Soldat ist ein guter Soldat. Nur draußen ist das noch nicht bekannt.“ Er selbst habe ja so gedacht, fährt er fort. Schon als kleiner Junge habe ihn das Militär fasziniert, und als Jugendlicher habe er sich sehnlichst gewünscht, der starken Truppe beizutreten. „Aber da machte ich mir noch Sorgen. Ich wusste, ich bin schwul. Aber wer schwul ist, glaubte ich, kann keine Karriere beim Bund machen, der muss Zivi werden“ – Mandel lacht höhnisch – „und alte Leute im Rollstuhl herumschieben.“

Dann aber kam die Nachricht aus dem Verteidigungsministerium, der zunächst von seinem Posten abberufene homosexuelle Soldat Winfried Stecher dürfe wieder als Ausbilder in der Bundeswehr arbeiten. Noch am selben Tag zog Mandel seinen Antrag auf Wehrdienstverweigerung zurück. „Erstmals brachte eine der heterosexuell-männlichsten Institutionen der Republik zum Ausdruck, Homosexualität für eine gewöhnliche sexuelle Orientierung zu halten, und nicht für einen zu versteckenden Makel“, sagt Mandel ernst und starrt auf seine Bierdose.

Die Grundausbildung hat der Gefreite Mandel fast hinter sich. Er hat „viel gelernt, auch wenn es nicht immer einfach war“. Zum Beispiel in jener Nacht, als er während eines Wachdienstes eingeschlafen war und deshalb am nächsten Tag mit seiner Zahnbürste ... Er möchte lieber noch nicht darüber sprechen. „Aber da habe ich begriffen, wie wichtig Disziplin ist.“ Heute falle es ihm leicht, bei Kälte in achtfacher Unterwäsche und zwei Parkas stundenlang wach zu bleiben. „Bei der Bundeswehr bildet man Fähigkeiten heraus, die einem auch später sehr nützlich sein können“, ist er überzeugt.

Beleidigende Bemerkungen von anderen Soldaten habe es „nur am Anfang“ gegeben. „Ich bin ja auch nicht der einzige Schwule“, sagt Mandel, „auf meiner Stube zum Beispiel ist auch noch einer, und ich kenne noch ein paar mehr.“ Mit ihnen trifft er sich regelmäßig zum Biertrinken; die Gruppe hat sich selbstironisch den Namen „die Weicheier“ gegeben. Die leere Bierdose knackt, als Mandel sie zusammendrückt. „Wir sind die Generäle der Zukunft!“, schreit er plötzlich so laut über den Bahnsteig, dass einige Wartende zusammenzucken. „Die soll ich verteidigen“, seufzt Mandel und schnappt sich ein neues Bier. Dann lacht er: „Die würden noch mehr zusammenzucken, wenn sie wüssten, dass ich schwul bin. Aber in ein paar Jahren ist das alles kein Problem mehr. Wenn sich die Ersten von uns in Krisengebieten bewährt haben, kommt auch die Öffentlichkeit besser klar mit uns.“ Mandel blickt versonnen auf seine blank geputzten Stiefel. „Wenn wir erst mal irgendwo auf dem Balkan oder in Afrika den Feind platt gewalzt haben . . . Irgendwo raus aus dem Laster, sich gegenseitig absi- chern . . . Leise voran . . . Jede Bewegung sitzt, wir wissen genau, was wir zu tun haben . . .“ Der Zug rattert heran. Mandel streichelt die Bierdose und lächelt. „Bumm“, sagt er. Als er anfährt, steht Mandel und schwenkt ein Bier, diesmal aus der Flasche. „Wir sind die schwu-hu-le Schwadro-ho-hon“, singt er zum Abschied.

CAROLA RÖNNEBURG

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