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Papa verprügelt Mama

■ Es gibt ein Senatskonzept gegen häusliche Gewalt – dringend nötig, zeigt ein Fall vor Gericht

20 Jahre hat er sie geschlagen, jetzt hatte sie genug und hat ihn angezeigt. Gestern wurde der Fall vor dem Amtsgericht verhandelt. Frech sei sie, „nervös“, könne nicht mit Geld umgehen und überhaupt: „Ich hab' sie festgehalten, nicht geschlagen“, sagte der 48-jährige Angeklagte. Verspannungen, Prellungen attestierte der Arzt nach der Szene im vergangenen September. Er habe sie am Nacken gepackt und heruntergedrückt, sagte die Ehefrau. War diesmal nicht das Schlimmste, aber: „Ich konnte nicht mehr, das war zu viel für mich. Ich war deshalb schon mal im Krankenhaus.“ Der 15-jährige Sohn wollte nicht aussagen, die 20-jährige Tochter schrie in Richtung Anklagebank: „Du wirst doch wegen jeder Kleinigkeit gewalttätig, gib's doch zu.“ Dann begann sie zu weinen, sie könne nicht mehr. Szenen eines Familienlebens, die sich alltäglich und -nächtlich in vielfachen Variationen wiederholen. Nur dass ein Richter darüber zu urteilen hatte, ist weniger häufig. Denn:

„Das Problematische bei häuslicher Gewalt ist, dass sie unsichtbar ist.“ Das sagt Brigitte Lück, Fachfrau für Gewalt bei der Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau. Je nach Statistik sei jede siebte bis zu jeder dritten Frau Opfer häuslicher Gewalt. Lück leitet die Senatsressort-übergreifende Arbeitsgruppe „häusliche Beziehungsgewalt“. Die Gruppe, besetzt mit VertreterInnen aus Innen-, Justiz-, Bildungs- und Sozialressort, ist Konsequenz aus der Regierungserklärung, die ein Präventionskonzept zum Thema verspricht. Vor einem Monat hat sie ihren Bericht vorgelegt, darin Maßnahmen, die das Thema unter der heimischen Bettdecke hervorholen sollen.

Konkreter: Mit Projekten und Fortbildungen sollen SchülerInnen und LehrerInnen auf die Problematik sensibilisiert werden. In den Stadtteilen sollen Anlaufstellen entstehen, die Geschlagenen Hilfe und Beratung vermitteln. Muttersprachliche Broschüren sollen Frauen ausländischer Herkunft über Hilfsmöglichkeiten aufklären. Fortbildungen sollen Krankenhauspersonal sensibel machen, ebenso PolizistInnen, die in Fällen häuslicher Gewalt ohnehin Anzeige zu erstatten haben. Ein Recht, prügelnde Männer nicht nur in Gewahrsam zu nehmen, sondern aus der gemeinsamen Wohnung rauszuschmeißen, das so genannte „Wegweisungsrecht“ hat die Bremer Polizei nicht und wird sie laut Entwurf zum neuen Landespolizeigesetz auch nicht haben. Für Brigitte Lück hat das ohnehin „nur Sinn, wenn gleichzeitig begleitende Maßnahmen greifen“, sprich: die Täter unmittelbar in ein Sozialtraining kämen. Außerdem, so hat es die Arbeitsgruppe formuliert, müsste zivilrechtlich geregelt sein, dass ein einmal weggewiesener Mann auch langfristig weg bliebe. Das wäre möglich, wenn ein Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums Wirklichkeit würde: Danach nämlich kann der Frau die gemeinsame Wohnung allein zugewiesen werden, auch wenn sie mit dem Schläger – und das ist neu – nicht verheiratet ist. Und das Opfer kann Kontaktverbote per Gericht durchsetzen. Doch ein Entwurf ist noch längst kein Gesetz.

Die Arbeitsgruppe soll nun beobachten, was aus ihren Plänen wird – und in zwei Jahren dem Senat Bericht erstatten. Was die Verbindlichkeit des Papiers angeht, gibt sich Brigitte Lück optimistisch: „Wir sind da hoffnungsfroh. Der Senat hat sich verpflichtet, das zu tun. Dann soll er's auch tun.“

Von all dem blieb die gestrige Verhandlung unberührt. Der Angeklagte wurde zu 6000 Mark Geldstrafe verurteilt. Anschließend ging die Familie nach Hause. Seit September sei es ruhig, hatten Mann und Frau vor Gericht geäußert. Vielleicht deshalb, weil sie kein Wort mehr miteinander sprachen.

sgi

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